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Sofortprogramm für Flüchtlinge

erschienen in Clara, Ausgabe 37,

Die Fraktion DIE LINKE hat Anfang September einen 10-Punkte-Plan für Flüchtlinge beschlossen. clara dokumentiert ihn in Auszügen.

1. Menschenwürdige Flüchtlingsaufnahme in Verantwortung des Bundes – statt Überforderung der Kommunen DIE LINKE fordert ein Flüchtlingsaufnahmegesetz, das bundesweit einheitliche und gemeinsame Standards und Verfahren für die Flüchtlingsaufnahme vorgibt. Kernelement ist die Übernahme aller Unterbringungs- und Versorgungskosten durch den Bund für die Dauer des Asylverfahrens und für eine Übergangszeit nach einer Anerkennung. Länder und Kommunen bleiben in der Verantwortung, indem sie die Integration der Asylsuchenden und der Schutzberechtigten vor Ort fördern und gewährleisten, insbesondere in den Bereichen Schule, Kultur, zivilgesellschaftliches Engagement sowie unterstützend bei der Arbeits- und Wohnungsvermittlung.   2. Neues Leitbild: Integration von Beginn an – statt ausgrenzender Gesetze Das Leitbild der Aufnahme soll die schnelle Integration der Asylsuchenden von Beginn an sein. Eine Mehrheit der Schutzsuchenden erhält bei inhaltlichen Entscheidungen durch die Behörden und Gerichte einen Schutzstatus zugesprochen und bleibt dauerhaft in Deutschland. Deshalb muss mit Integrationsmaßnahmen so früh wie möglich begonnen werden. Dies erfordert unter anderem einen Zugang für Asylsuchende zu Integrations- und Sprachkursen, die Aufhebung bestehender Restriktionen beim Arbeitsmarktzugang und eine Strategie der Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge, etwa auch zur Feststellung und Weiterentwicklung vorhandener Qualifikationen und Fertigkeiten.   3. Gegen eine Einteilung in vermeintlich „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge Die gefährliche politische Strategie, den rechten Teil der Bevölkerung an sich zu binden, indem von einem „massiven Asylmissbrauch“ gesprochen wird und angeblich notwendige Gesetzesverschärfungen eingefordert werden, muss sofort beendet werden. Das individuelle Grundrecht auf Asyl muss uneingeschränkt gewährleistet werden, menschenwürdige Aufnahmebedingungen und faire Asylverfahren muss es für alle Flüchtlinge geben. Systematisch diskriminierte und verfolgte Roma brauchen Schutz.   4. Gegen Lager und Zwangsverteilung – dezentrale Unterbringung und sozialen Wohnungsbau stärken, private Kontakte und Initiativen nutzen Die Unterbringung von Asylsuchenden in Massenunterkünften, die häufig sehr abgelegen sind, steht dem Ziel einer schnellen Integration entgegen. Vorrang müssen die dezentrale Unterbringung und private Wohnungsanmietungen haben. DIE LINKE fordert, dass Asylsuchende bei Verwandten und Bekannten unterkommen können, wenn dies möglich ist. Zudem sollen Flüchtlinge bundesweit privaten Wohnraum anmieten können, so könnte leer stehender Wohnraum im allseitigen Interesse genutzt werden. DIE LINKE fordert eine konzertierte Neuauflage des sozialen Wohnungsbaus mit dem Ziel, Menschen mit geringem Einkommen einen Zugang zu gutem Wohnraum zu verschaffen.   5. Schnelle und faire Asylverfahren – das BAMF durch großzügige Sonderregelungen wieder arbeitsfähig machen DIE LINKE fordert ein Bündel von Maßnahmen, um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wieder in die Lage zu versetzen, gute und schnelle Entscheidungen zu treffen: eine zeitnahe und bedarfsgerechte Aufstockung qualifizierten Personals; eine großzügige „Altfallregelung“ für Fälle, die bereits länger als ein Jahr anhängig sind (dies beträfe etwa 57.500 Flüchtlinge, die nicht für die unzumutbar lange Verfahrensdauer verantwortlich zu machen sind); aufwändige Verfahren zur Prüfung der Zuständigkeit nach der EU-Dublin-Verordnung, die im Durchschnitt fast vier Monate dauern, sollten eingestellt werden; auf automatische Asylwiderrufsprüfungen drei Jahre nach der Anerkennung muss verzichtet werden (dies macht sonst kein anderes Land in der EU und es führt in über 95 Prozent aller Fälle zu nichts).   6. Aufnahmebereitschaft und zivilgesellschaftliche Initiativen stärken Die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen für eine gute Aufnahme von Flüchtlingen müssen systematisch gestärkt werden, strukturell, ideell und finanziell. Es wäre fatal, wenn die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung infolge der politischen Auseinandersetzungen auf diejenigen Flüchtlinge eingeengt würde, die allein als schutzwürdig angesehen werden, während andere Flüchtlingsgruppen von der Aufnahmebereitschaft ausgeschlossen würden. Das würde die solidarische Haltung in großen Teilen der Bevölkerung insgesamt untergraben. Andererseits dürfen dringend notwendige staatliche Aufgaben, etwa einer qualifizierten psychosozialen Betreuung und Behandlung traumatisierter Flüchtlinge, nicht den hierfür nicht ausgebildeten Helferinnen und Helfern überlassen bleiben. Professionelle Angebote müssen mit engagierten Unterstützungsstrukturen vor Ort vernetzt werden.   7. Rassismus in der Gesellschaft  aktiv und umfassend bekämpfen Neben der großen Hilfsbereitschaft gibt es derzeit auch eine unübersehbare Welle rassistischer und zunehmend gewalttätiger Angriffe auf Flüchtlinge beziehungsweise Flüchtlingsunterkünfte. Die steigenden Fallzahlen solcher Vorfälle sind beschämend und erschreckend, genauso die an manchen Orten schwindende Distanz zwischen Teilen der Bevölkerung und organisierten Rechten. Es muss klar sein, dass der Staat allen Asylsuchenden gleichermaßen ein faires Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen garantiert.   8. Für eine grundlegende Reform der EU-Dublin-Verordnung DIE LINKE fordert eine grundlegende Änderung der Dublin-Verordnung. Diese bürdet die Hauptverantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen einseitig den EU-Mitgliedsstaaten mit relevanten EU-Außengrenzen auf, aktuell vor allem Griechenland und Italien. Die Alternative zum jetzigen Dublin-System ist die freie Wahl des Zufluchtsorts für Flüchtlinge. Bestehende Familienbande der Flüchtlinge und vorhandene Sprachkenntnisse könnten positiv genutzt werden, statt die Menschen gegen ihren Willen von einem Land ins andere zu schicken. Eine mögliche Ungleichverteilung müsste vor allem auf finanzieller Ebene ausgeglichen werden, entsprechend der Größe und den wirtschaftlichen Möglichkeiten der jeweiligen Mitgliedsstaaten.   9. Für sichere und legale Einreisewege – das Massensterben an den EU-Außengrenzen beenden Es muss einen Paradigmenwechsel in der Asylpolitik der Europäischen Union (EU) geben. Die EU handelt im Umgang mit Schutzsuchenden nach dem Muster einer Katastrophenpolitik und setzt vor allem auf Abschreckung und Abwehr. Flüchtlinge brauchen legale und sichere Einreisewege, gute Aufnahmebedingungen und Schutz. Statt Milliarden in Abschottung, Grenzzäune und Abschiebungslager zu stecken, muss in die Integration und Zukunft der Flüchtlinge investiert werden.   10. Fluchtursachen statt Flüchtlinge bekämpfen Die Rede von der Fluchtursachenbekämpfung darf keine Phrase sein. Erforderlich ist vielmehr ein radikaler Politikwechsel, vor allem in der Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. DIE LINKE tritt ein für das Verbot von Waffenexporten, für eine vorsorgende Friedenspolitik und Diplomatie zur Verhinderung und Beendigung von Konflikten. Wir fordern eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, faire Handelsbeziehungen statt übervorteilender Freihandelsabkommen und einen Stopp EU-subventionierter Exporte von Lebensmitteln, um heimische Märkte und gewachsene Wirtschaften zu schützen.