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Sexismus die Rote Karte zeigen

erschienen in Lotta, Ausgabe 12,

Die Fraktion DIE LINKE will einen bundesweiten Aktionsplan gegen Sexismus

Im April 2016 konnten wir eine ungemein aufgeregte und hitzige Debatte in den Medien verfolgen, in der alle möglichen Vorurteile und Ängste wild durcheinandergewürfelt wurden. Anlass war ein mögliches Verbot sexistischer Werbung. Dabei wurde in der Öffentlichkeit nicht nur vor »Geschmacksvorschriften für Werbeplakate« und vor »staatlich verordneter Verklemmtheit« gewarnt, sondern sogar eine »Geste der kulturellen Unterwerfung« erkannt, die in der Einführung der Burka enden könne. Warum aber wird der Kampf gegen Sexismus so oft mit Bevormundung und Unfreiheit gleichgesetzt? Warum gibt es kein klares Einvernehmen in unserer Gesellschaft darüber, dass Sexismus, die Abwertung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts in jeglicher Form, nicht in Ordnung ist und so schnell wie möglich abgeschafft gehört?

Die beispielhaften Einwürfe aus der Debatte über sexistische Werbung legen meiner Meinung nach bereits eine Antwort nahe: Es wird einerseits nicht unterschieden zwischen Identität, zu der auch das Geschlecht und seine Ausdrucksweise gehören, und andererseits dem Sexismus, also der Zuweisung und hierarchischen Anordnung von bestimmten Geschlechterrollen. Konkret möchte doch niemand Frauen verbieten, sich aufreizend anzuziehen, so sie das wollen. Aber warum sollte es zu den Grundfreiheiten gehören, dass Frauen als aufreizendes Beiwerk neben Autos gestellt werden dürfen, damit Männer es kaufen? Wer so argumentiert, klammert aus, dass es nicht um ein einzelnes Werbeplakat geht, sondern um dessen Ursprünge und die Folgen für das Leben von Frauen ganz allgemein. Die auf bestimmte Zuschreibungen reduzierte Darstellung von Frauen in der Werbung ist eng mit anderen Erscheinungsformen von Sexismus verbunden, die letztendlich ihre finanzielle Absicherung und körperliche Unversehrtheit angreifen. Auf diesen Zusammenhang kommt es aber an.

Wenn Mädchen etwa schon von früh auf beigebracht bekommen, dass es nur auf ein ganz bestimmtes Aussehen ankommt und sie daher mehr ein Objekt sind, das anderen gefallen soll, dann hat das nicht nur Folgen für das Selbstbewusstsein, sondern auch was die Vorurteile in der Gesellschaft angeht. Dass es beispielsweise so wenig Frauen auf Führungsetagen gibt, hängt unter anderem damit zusammen, dass ihnen Durchsetzungsfähigkeit auf dieser Ebene nicht zugetraut oder angenommen wird, so eine Eigenschaft schickte sich nicht für eine Frau.

Gegen sexistische Werbung vorzugehen, heißt eben auch, solche geschlechtliche Rollenbilder aufzubrechen, die Frauen, ihre Arbeiten und Tätigkeiten gegenüber Männern abwerten. Die auch dazu führen, dass Frauen zum größten Teil immer noch die unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit übernehmen und im Erwerbsleben schlechter bezahlt werden. So erhalten Frauen rund 21 Prozent weniger Lohn als Männer. Das wiederum hat zur Folge, dass Frauen keine ökonomische Unabhängigkeit von ihrem Ehepartner oder einer staatlichen Institution erreichen. Ihre Möglichkeiten, sich gegen Gewalt in der Beziehungen zu wehren, was auch überwiegend Frauen trifft, werden dadurch massiv eingeschränkt. Eine von ihrem Partner materiell abhängige Frau wird sich aus einer gewalttätigen Beziehung sehr viel schwerer lösen können.

Sexismus ist ein komplexes und vielschichtiges Problem, das einen ebensolchen Lösungsansatz erfordert. Als Fraktion haben wir daher einen Antrag für einen bundesweiten Aktionsplan gegen Sexismus in den Bundestag eingebracht. Unsere Idee ist, zunächst einen runden Tisch einzurichten, an dem sich Expert*innen aus Theorie und Praxis sowie aus der Politik zusammenfinden, die dann die verschiedenen Bereiche und ihre Wechselwirkungen behandeln und konkrete Maßnahmen zur Prävention und zur Minderung der Folgen von Sexismus und Gewalt ausarbeiten. Dazu gehören Angebote der geschlechtersensiblen Pädagogik ebenso wie eine Geschlechterquotierung bei der öffentlichen Filmförderung und die Einrichtung einer wirksamen unabhängigen Kontrolle zur Unterbindung sexistischer Werbung.

Dazu gehören weiter: ein wirksames Gesetz zur Entgeltgleichheit, verbindliche Frauenquoten und die Aufwertung sozialer und personenbezogener Dienstleistungen. Und schließlich der Ausbau und die bedarfsgerechte Finanzierung des gesamten Hilfe- und Schutzsystems für von Gewalt betroffene Frauen, gleichgültig welchen Aufenthaltsstatus sie haben. Gebündelt werden diese Maßnahmen in einem bundesweiten Aktionsplan gegen Sexismus, der alle staatlichen Ebenen in die Pflicht nimmt und vor allem auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezieht. Denn für den Erfolg solcher Maßnahmen ist es von zentraler Bedeutung, dass sie begleitet werden von einem gesellschaftlichen Diskurs, der Sexismus als strukturelles Problem wahr- und vor allem ernst nimmt.

Cornelia Möhring ist stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE