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„Selbst aktiv werden“

Von Kersten Steinke, erschienen in Clara, Ausgabe 34,

Die 21-jährige Elisabeth Pertl aus Bayern sorgt mit einer Petition gegen TTIP für Aufsehen im Bundestag.

Alles begann mit einem Zufall. Anfang des Jahres, am 27. Januar, war die Studentin Elisabeth Pertl im Internet unterwegs, um eine Petition gegen Hormone in Kosmetika zu unterschreiben. Durch Zufall stieß sie auf einen Text, der von einem Handelsabkommen namens TTIP berichtete.    „Was ich da las, konnte mich nicht gleichgültig lassen und machte mich nachdenklich“, sagt Pertl. Zu dieser Zeit war TTIP den meisten Bundesbürgerinnen und -bürgern noch ein Fremdwort, in Medien fand sich kaum ein Wort davon. Elisabeth Pertl dachte nicht lange nach, noch am selben Tag reichte sie auf der Website des Bundestags die Petition 48 994 ein und forderte die Bundesregierung auf, die Verhandlungen zu TTIP abzubrechen. „Innerhalb weniger Tage habe ich Tausende Unterstützerunterschriften bekommen“, erinnert sich die 21-jährige Studentin aus Bayern.    Elisabeth Pertl wächst in einem Dorf im Chiemgau auf, gehört keiner Partei oder Gruppe an, bezeichnet sich selbst als „eigenständige Person“. Ihr besonderes Engagement gilt in der Freizeit dem Waldrapp, einer vom Aussterben bedrohten Vogelart. Als Freiwillige im Waldrapp-Team hilft die Studentin, Jungtiere in Österreich aufzuziehen, betreut diese an einem eigenen Brutstandort mit Küken und Jungvögeln. Mit dem Engagement für den Schutz der Natur kommt die Motivation, sich gegen den wachsenden Trend zu immer mehr Profitgier und Globalisierung zu stemmen.    In den sozialen Netzwerken wird mit der Petition von Elisabeth Pertl geworben. Die Organisationen Attac und Campact informieren in ihren Newslettern über die wachsende Zahl der Unterschriften. Für die Vorsitzende des Petitionsausschusses im Bundestag, Kersten Steinke (DIE LINKE), ist die Petition der jungen Frau aus Bayern etwas Besonderes. „Die Studentin Elisabeth Pertl hat mit ihren 21 Jahren ein ganz wichtiges Thema aufgegriffen, das früher oder später jede Verbraucherin und jeden Verbraucher betrifft, vielen Menschen aber noch nicht gegenwärtig ist. Deshalb ist es besonders unterstützenswert, wenn gerade junge Menschen die zur Verfügung stehenden Mittel zur politischen Beteiligung nutzen“, sagt die Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE.    Protest gegen TTIP   Am Ende kamen 68 000 Unterschriften für Pertls Petition zusammen, und aus der Initiative wird die erste öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema TTIP. Als diese Mitte Oktober stattfindet, steht Elisabeth Pertl plötzlich im Scheinwerferlicht Dutzender Kameras. Man merkt ihr an, dass ihr diese öffentliche Rolle gar nicht behagt. In der Anhörung bleibt sie im Hintergrund, lässt mit Karl Bär vom Umweltinstitut München einen Fachmann die Begründungen für die Petition vortragen. „TTIP ist ein Angriff auf die Demokratie und öffnet Privatisierungen Tür und Tor“, sagt er. Das Abkommen gefährde die Gesundheit und solle es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung zu machen.    Der bei den Abgeordneten des Petitionsausschusses des Bundestags geweckten Aufmerksamkeit folgt die der Journalisten. „Das war aufregend“, sagt Elisabeth Pertl, „ich hoffe, dass es bald Hunderttausende mit ihrem Protest gegen TTIP gibt.“ Sie sei sicher keine Symbolfigur des Protests gegen TTIP. Sie findet es komisch, nahezu verrückt, dass sie so viele Fragen beantworten muss, obwohl die Fachleute zum Thema TTIP es doch besser wissen. „Nun weiß ich, dass es sich lohnt, auch selbst aktiv zu werden. Vielleicht können wir gemeinsam TTIP stoppen“, sagt sie. Inzwischen kreisen ihre Gedanken sicher wieder um die jungen Waldrappen, die vor dem Winter in die Toskana fliegen.