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Schluss mit Monopoly aus der Steckdose

erschienen in Clara, Ausgabe 3,

Hans-Kurt Hill setzt auf lukrativen Biodiesel

Alle reden vom Klimaschutz. Alle wollen die Erde retten und alle überbieten sich fast mit Vorschlägen, wie umwelt- und damit klimafreundlich Energie produziert werden sollte. Erst der Katalysator, dann die Variante Erdgas- oder Elektroantrieb. Biodiesel wurde besonders gepriesen und schien bei Produktion und Verbrauch den Geldbeutel von Herstellern und Nutzern gleichermaßen zu schonen. Alles vergessen? Alles vorbei? Zumindest sieht die deutsche Regierung plötzlich keinen Bedarf mehr, die Produktion von Biodiesel zu fördern.

Einen Saarländer bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Doch wenn kleine Betriebe mit den Folgen gezielt in den Konkurs regiert werden, wird Hans-Kurt Hill, energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. schon mal laut. »Auf die Politik muss doch Verlass sein, wenn ich als kleiner Unternehmer investiere«, argumentiert der gelernte Kaufmann aus Heusweiler. Für ihn ist Energiepolitik immer auch Familien- und Wirtschaftspolitik.

Ende Februar besuchte Hans-Kurt Hill das Agrarunternehmen Barnstädt bei Halle in Sachsen-Anhalt. Wie viele Klein- und Mittelständler aus der Landwirtschaft hatte dieser Betrieb auf Biodiesel-Produktion gesetzt. Heimisch erzeugte Energie schafft Arbeit, Versorgungssicherheit und nützt dem Klimaschutz. Deshalb war Ökosprit steuerlich befreit - bisher. Seit September 2006 ist das nun anders. Die Große Koalition belegte Biokraftstoffe mit einer Steuer, um die Haushaltskassen des Bundes aufzufüllen.

Einführung der Steuer auf Biodiesel kostete in Deutschland 15.000 Arbeitsplätze

Jetzt liegen die Produktionskosten für kleine Betriebe in Deutschland über dem Verkaufspreis. »Bei dünner Kapitaldecke hält das kaum einer durch, auch wenn die Erdölpreise mittelfristig wieder steigen und Biodiesel so wieder lukrativer wird«, schlussfolgert Hans-Kurt Hill. Die Hausbanken der betroffenen Unternehmen nehmen keine Rücksicht. Sie stoppen die Kredite. Seit Einführung der Steuer auf Biodiesel vor einem halben Jahr sind deutschlandweit schon 15.000 Arbeitsplätze ver-lorengegangen - und das meist im ohnehin strukturschwachen ländlichen Raum. Gerade in Ostdeutschland wollten viele Agrarbetriebe mit dem Ökosprit ein zusätzliches Standbein aufbauen. Die Folge sind dann Insolvenzen. Der Geschäftsführer des Agrarunternehmens Barnstädt, Ralf Hägele, hat offenbar das Vertrauen in die Bundesregierung verloren: »Wenn ich jetzt auf andere Bioenergien umschwenke, zieht mir Steinbrück dort das Geld aus der Tasche.«

Hans-Kurt Hill hat in den letzten Monaten viele Hilferufe erhalten und bereits mehrere Biodiesel-Betriebe besucht. Es sind die menschlichen Schicksale, die ihn dabei vor Ort betroffen machen. »Die Enttäuschung ist nicht zu übersehen, wie soll Politik da noch glaubwürdig sein.« Mit den Insolvenzen gingen schließlich nicht nur Millionen Euro öffentlicher Fördermittel den Bach runter. Zahlreiche Familien sind in ihrer Existenz bedroht, wo es vor kurzem noch hieß, Klimaschutz schaffe Arbeit. Biodiesel und Bioethanol aus regionaler Herstellung galten als echte Alternative zu fossilen Energieimporten - nun rollen sie aufs Abstellgleis.

Gegen eine derart unverständliche Energiepolitik will der eigentlich stets optimistische Mann aus dem Saarland angehen. Mit einem Augenzwinkern erklärt Hans-Kurt Hill, dass er sich in Sachen Bioenergie gut auskennt. Er selbst ist als Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Eiweiler im Besitz einer Brennlizenz. Schließlich wird Bio-Benzin, ähnlich wie sein Obstler, durch alkoholische Vergärung von Biomasse erzeugt. In seinem Verein findet der kleine Saarländer mit der Brille die nötige Bodenhaftung für seine Arbeit: »Wenn Du nicht weißt, was die Leute im Alltag bewegt und was sie denken, nützen die besten Gesetzesinitiativen nichts.«

Wie »nützlich« Energiepolitik gestaltet wird, könnten Familien an ihrer Energierechnung ablesen, meint Hans-Kurt Hill. Gern nimmt er dazu auch das Energiewirtschaftgesetz als Argumentationshilfe: Schon in Paragraf 1 steht, Energie muss versorgungssicher, bezahlbar, verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich zur Verfügung gestellt werden. Nichts von dem sei zurzeit der Fall, was ihn auch schon 2005 vor der Wahl in den Bundestag dazu veranlasste, Initiativen gegen die steigenden Gaspreise zu gründen. »Viele Familien zahlen für Strom und Heizung auf einen Schlag hunderte Euro pro Jahr mehr als noch im Vorjahr. Für den gemeinsamen Zoobesuch oder den neuen Schulranzen wird es dann für viele eng«, erklärt er sein Engagement.

Tatsächlich erleben die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zurzeit die teuerste Heizperiode der Nachkriegs-geschichte. Die Mehrbelastung der letzten Jahre durch gestiegene Kosten beim Heizen, bei Strom und Sprit macht mittlerweile den Gegenwert von zwei Monatsmieten pro Jahr aus. Das heißt für viele Privathaushalte, Energie zu sparen und die Rücklagen der Familien anzugreifen. Von Anfang 2004 bis Mitte 2006 stiegen die Strompreise um zehn Prozent. Sprit und Erdgas verteuerten sich um rund 30 Prozent. Heizöl wurde sogar um mehr als 75 Prozent teurer. Die Folge: Die Ausgaben der privaten Haushalte für Energie stiegen siebenmal stärker als die sonstigen Verbraucherpreise. Bei praktisch sinkenden Reallöhnen in den vergangenen Jahren summiert sich die Belastung der Privathaushalte also auf über 12 Milliarden Euro.

Hauptursache für die explodierenden Energierechnungen ist die monopolartige Stellung der Energiekonzerne. Es wird jenseits aller Marktregeln auf Kosten der Strom- und Gaskunden Kasse gemacht. In einem funktionierenden Markt könne es sich kein Kaufmann leisten, so mit seiner Kundschaft umzugehen. »Wenn Tomaten zu teuer sind, kann man auch mal eine Weile darauf verzichten. Bei Strom geht das nicht«, macht Hans-Kurt Hill die Situation deutlich. Die Energiekonzerne nutzen das schamlos aus. Beispiel Strom: Der Marktpreis wird am teuersten Spitzenlast-Kraftwerk festgelegt, das mit viel Aufwand nur hochgefahren werden muss, wenn kurzzeitig viel Energie gebraucht wird. Das ist in etwa so, als würde für alle Äpfel auf dem Wochenmarkt immer das teuerste Preisschild gelten - egal ob das Obst wurmstichig ist oder nicht.

Mit den Stromnetzen wird ebenfalls Kasse gemacht. Die Übertragungsnetze liegen komplett in den Händen der vier großen Strommonopolisten e-on, RWE, Vattenfall und EnBW. Jährlich nehmen sie bis zu 20 Milliarden Euro an Netzgebühren ein. Nur rund zehn Prozent davon werden aber wieder in die Netze investiert. Der Rest wandert in die Kassen der Konzerne, die damit Vorstandsgehälter aufbessern und milliardenschwere Übernahmen anderer Energieversorger finanzieren.

Das Preisdiktat des Energiekartells und die Abhängigkeit von den knappen und klimaschädlichen Energiefossilien kann nach Ansicht von Hans-Kurt Hill nur beendet werden, wenn die Energieversorgung grundlegend umgebaut wird.

Der Saarländer legt beharrlich den Finger auf die Wunde und fordert die Zerschlagung der Konzerne. »Der Strom- und Gasmarkt eignet sich nicht für unlauteren Wettbewerb. Die Netze gehören in die öffentliche Hand, RWE & Co. müssen besser kontrolliert werden«, so Hans-Kurt Hill. Dabei bekommt er neuerdings Rückendeckung von unerwarteter Seite. Selbst der Chef der EU-Kommission, José Manuel Barroso, fordert eine Zerschlagung des Energiekartells. Eine aktuelle Studie der Deutschen Bank kommt zu dem gleichen Ergebnis: Energiekartelle sollten abgeschafft werden. DIE LINKE. im Bundestag hatte schon vor einem halben Jahr ein Programm für sozial gerechte Energiepreise, die Verstaatlichung der Netze, eine bessere Strompreisaufsicht und eine Steuer auf die astronomischen Profite der Konzerne gefordert.

Hans-Kurt Hill wundert es nicht, dass in Sachen Energiepolitik mittlerweile eine breite Mehrheit in der Gesellschaft der Idee der Linken folgt. »Wenn wir dazu noch den Energieverbrauch senken und konsequent auf erneuerbare Energien setzen, haben alle etwas davon. Die Familien, die Wirtschaft und das Klima«, sagt er und schmunzelt, als hätte er jemandem einen Streich gespielt.