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“Rückzug aller Truppen!”

erschienen in Klar, Ausgabe 8,

Der hessische Friedensaktivist und Gewerkschafter Willi van Ooyen über den Krieg in Afghanistan, das Versagen von SPD und Grünen und vermeintlich rote Fahnen

Welches sind für Sie die drei wichtigsten Forderungen der Friedensbewegung?

Willi van Ooyen: Zunächst der Rückzug aller deutschen Truppen von den internationalen Kriegsschauplätzen. Dann der Einstieg in die Abrüstung, also keine weiteren Neuanschaffungen von Militärgerät, so dass die freiwerdenden Mittel für Sozialleistungen verwendet werden können. Und nicht zuletzt die Verhinderung weiterer Militarisierung im Innern, also kein Bundeswehreinsatz gegen die eigene Bevölkerung, Schluss mit der Notstandspolitik von Innenminister Wolfgang Schäuble.

Ist das durchsetzbar?

Kurzfristig nicht. Der Kampfeinsatz in Afghanistan wurde im Bundestag sogar mit größerer Mehrheit als bei der letzten Abstimmung beschlossen. In der Gesellschaft sieht es anders aus: Dort sehen wir klare Mehrheiten gegen die irrige Ansicht, Deutschland werde “am Hindukusch verteidigt”.

Leider werden diese Mehrheiten nur bei Umfragen sichtbar, nicht auf der Straße. Die Beteiligung an den Demonstrationen der Friedensbewegung könnte besser sein.

Ich nehme ja seit über 40 Jahren an den Ostermärschen teil. Es gab immer ein Auf und Ab. Aber dass ausgerechnet die Bundesregierung aus SPD und Grünen in Deutschland den Krieg wieder salonfähig gemacht hat...

...durch die Teilnahme am NATO-Überfall auf Jugoslawien 1999...

...war eine Zäsur. Immerhin hatten Politiker wie Joschka Fischer (Grüne) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bis in die 1980er Jahre Antikriegsproteste mitorganisiert - und 1999 unterstützten sie plötzlich die andere Seite. Das hat viele irritiert. Die Friedensbewegung musste sich neu aufstellen.

Die hessische SPD-Politikerin Ypsilanti winkt bisweilen mit der roten Fahne. Wäre Sie eine politischer Partnerin für Sie, etwa in der Friedenspolitik?

Nein. Beim Bezirksparteitag von Hessen-Süd fiel der Antrag durch, die deutsche Teilnahme am US-Kampfeinsatz in Afghanistan zu beenden. Das heißt, nicht einmal in einer der angeblich linkesten SPD-Gliederungen ist derzeit eine Friedensposition mehrheitsfähig. Würde Frau Ypsilanti eine Kooperation mit der LINKEN durchsetzen wollen, würde es die SPD zerreißen.

Eine Zerreißprobe für die SPD wurde auch in den achtziger Jahren prophezeit, als es um das Verhältnis zu den Grünen ging...

Richtig. Trotzdem paktierten SPD und Grüne 1986 in Hessen. Wir müssen von den aktuellen Realitäten ausgehen. Und die sind betrüblich, etwa was die Positionierung der Grünen angeht: Sämtliche grünen Bundestagsabgeordneten aus meinem Bundesland haben im Bundestag für die Fortsetzung des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr am Hindukusch gestimmt - und damit sogar gegen das Votum ihres eigenen Bundesparteitages verstoßen.