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Rosa, Karl und Hugo

Von Petra Pau, erschienen in Clara, Ausgabe 47,

Im Jahr 1914 schloss die SPD-Fraktion im Reichstag ihren Frieden mit dem Krieg. Sie bewilligte Kriegskredite und schlug sich damit deutsch-nationalistisch auf die Seite des Kaiserreiches, wider die Beschlüsse der eigenen Partei. Der folgende Weltkrieg war der bis dato verheerendste in der Geschichte. Wenig später scherte der damalige SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht aus der Fraktionsdisziplin aus. Er weigerte sich, weiteren Krediten zuzustimmen und warb unermüdlich für Internationalismus und Frieden. So kam es zum Bruch mit der SPD. Wobei: Wer mit wem gebrochen hatte, Liebknecht mit der SPD oder die SPD mit der Sozialdemokratie, darüber lässt sich trefflich streiten.

Wie auch am Beispiel Hugo Haase: Er war gleichberechtigter Co-Vorsitzender der SPD. Im Jahr 1916 verweigerte auch er sein Ja zu weiteren Kriegskrediten. Es kam zu »Sturmszenen« im Reichstag, schreibt der Historiker Karsten Krampitz. Hugo Haase wurde damals das Rederecht im Plenum entzogen, mit den Stimmen der SPD-Fraktion.

Später wurde Haase Mitbegründer der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Er kooperierte mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Wie viel Zuspruch gerade die Friedenspolitik der USPD einbrachte, mögen zwei Zahlen belegen. Bereits 1920 zählte die Partei rund 895.000 Mitglieder, bei den Reichstagswahlen im selben Jahr erreichte sie 17,6 Prozent.

Am 9. November 2018 wurde der Novemberrevolution vor 100 Jahren gedacht. Ausgelöst wurde sie von dem Matrosenaufstand in Kiel, als sich die Soldaten weigerten, weiter Krieg zu führen. Danach ging es um weitergehende soziale und demokratische Ziele. Gegründet wurde die Weimarer Republik, die parlamentarisch-demokratisch legitimiert war. Auch wenn Luxemburg, Haase und Liebknecht mehr wollten, gleichwohl war das ein historischer Fortschritt.

Bei der Würdigung der Novemberrevolution in den Medien spielten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht allerdings bestenfalls eine Randrolle, wenn nicht gar eine störende. Zur Erinnerung: Karl Liebknecht wurde von Freikorps ermordet, die von der SPD damals nicht aufgelöst, sondern im mörderischen Amt belassen wurden. Auch Rosa Luxemburg gehörte zu den rund 150 direkten Opfern, die im Januar 1919 auf deren Mordkonto gingen. Hugo Haase fiel ebenso einem Attentat zum Opfer.

Warum wurde dieser Teil der Geschichte bei dem aktuellen Gedenken so sorgsam ausgeblendet? Weil es mithin auch der Generalkonflikt dieser Zeit ist? Nämlich die Frage nach Krieg oder Frieden? Weil die Bundeswehr in vielen Ländern weltweit im Einsatz ist? Weil sich CDU und CSU aktuell anschicken, den deutschen Rüstungsetat auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen? Also auf fast das Doppelte! Weil US-Präsident Trump das gebietet? Es ist schlimmer. Das 2-Prozent-Ziel wurde innerhalb der NATO erstmals 2002 vereinbart. Als Bundeskanzler hatte damals Gerhard Schröder (SPD) zugestimmt. Bekräftigt wurde das Vorhaben erneut bei einem NATO-Gipfel im Jahr 2014. Für die Bundesrepublik Deutschland agierten dabei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Von einem US-Präsidenten Trump war da noch keine Rede.

Jährlich am zweiten Sonntag im Januar erinnern Tausende Menschen auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde an Karl und Rosa. Mit dabei ist stets »Butzi«, ein SPD-Mann mit einem Trupp junger, gleichgesinnter Sozialdemokraten aus Reinickendorf. Er hält dabei seine SPD-Fahne demonstrativ hoch.

Petra Pau ist seit 2006 die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags.