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Rentenreform: der Sündenfall der SPD

erschienen in Clara, Ausgabe 13,

Wie in Blei gegossen schien 2006 der Parteienkonsens in der Rentenpolitik: Die Alterssicherung soll auf drei Säulen stehen. Neben der Gesetzlichen Rentenversicherung - GRV - sollen sich die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich über eine betriebliche und eine private Rentenversicherung fürs Alter absichern. Nur in diesem Dreiklang könne eine Alterssicherung erreicht werden, die vor der rot-grünen Rentenreform im Jahr 2000 allein aus der GRV erwuchs.

Drei Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Die Kapitalmärkte kollabieren. Private Altersvorsorgeprodukte unterliegen auch dem Renditeverfall am Finanzmarkt, und der Staat sichert nur bestimmte Anlageformen ab.

Die Rentenreform war der Sündenfall der SPD in der Sozialpolitik. Rot-grün senkte mit dem Riesterfaktor das Rentenniveau kontinuierlich ab; damit sind die Beschäftigten gezwungen, aus eigenen Beiträgen den Verlust aus der GRV zu ersetzen. Die Arbeitgeber wurden so entlastet und dem Kapitalmarkt beständig neue Kunden zugeführt.

Fachkritiker und Sozialverbände warnten früh vor den Folgen der Teilprivatisierung der Altersvorsorge. Renten dürften nicht weniger steigen als Löhne. Nur so könne man gewährleisten, dass Ruheständler nicht von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden.
Ab 2006 gab es mit der LINKEN eine Stimme im Parlament, die dem Rentenklau den Kampf ansagte. Ist die Forderung nach Abschaffung der »Rentendämpfung« heute weitgehend Konsens bei Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und vielen Fachleuten, blieb die Fraktion DIE LINKE im Parlament Rufer in der Wüste - bis 2008!
»Ihr werdet noch vor den Wahlen die Rentenformel ändern!«, prophezeite Oskar Lafontaine der Regierung zum Jahresbeginn 2008. Drei Monate später geschah das kleine Wunder: Die Regierung setzte den Riesterfaktor zwei Jahre aus, damit die Rentenerhöhung vor den Wahlen nicht ins Wasser fällt. Links wirkt!

Der LINKEN wirft man gerne vor, altmodisch zu sein. Diesem Ruf machte sie im November 2007 alle Ehre. Sie forderte die Neuauflage der Rente nach Mindesteinkommen. Diese gab es bis 1992 für Personen mit geringem Einkommen, deren Rentenanwartschaften aufgestockt wurden. Es war endlich Zeit, im Parlament ein Sprachrohr zu schaffen für zunehmend mehr Leute, die prekäre Jobs haben, arbeitslos sind, wenig verdienen, vor allem für Frauen. Wir wurden damals belächelt. Heute fordern das fast alle: Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, die SPD und selbst die CDU in NRW.

»Die Einführung der Erwerbstätigenversicherung steht auf der Tagesordnung.« Nur die politische Rechte wehrt sich noch gegen die Forderung des rentenpolitischen Sprechers der Linken, Volker Schneider. Selbst die Deutsche Rentenversicherung will einen Einstieg in die Erwerbstätigenversicherung. Die SPD fordert sie im Wahlprogramm, aber im Parlament stimmt sie gegen den Antrag der LINKEN.

In den Gewerkschaften brodelt es vor Wut. Die rot-schwarze Regierung beschloss 2007 mit der Rente ab 67 eine erneute Rentenkürzung für die Mehrheit der Beschäftigten. In der Wirtschaftskrise wird die Arbeitslosigkeit drastisch ansteigen. Die Erhöhnung des Renteneinsstiegsalters bedeutet: Arbeitslosigkeit für Junge und Rentenabschläge für Ältere. DIE LINKE lehnt als einzige Fraktion das Gesetz grundsätzlich ab. In 2010 soll auf Basis der arbeitsmarktpolitischen Entwicklung die endgültige Einführung des Gesetzes noch mal überprüft werden. »Es gibt noch ein Zurück! Hier können nur die Bürger helfen. Sie müssen die Bundestagswahlen zu einer Volksabstimmung machen gegen die Rente ab 67«, fasst Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, die Lage treffend zusammen.