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Renten-Hasardeuren auf der Spur

erschienen in Clara, Ausgabe 7,

Die Rentenpolitik der Koalition befördert die Privatisierung der Altersvorsorge. Altersarmut ist dadurch wieder auf dem Vormarsch. DIE LINKE will die

gesetzliche Rentenversicherung vom Kopf auf die Füße stellen.

Die Warnung vor zukünftiger Altersarmut ist in aller Munde: Viele der heutigen Jungen werden im Alter nicht von ihrer gesetzlichen Rente leben können. Wer sich private Zusatzvorsorge nicht leisten kann, ist im Alter arm. Die Weichen für diesen Polarisierungskurs wurden allerdings vor Jahren gestellt. Die Politik der Regierungen Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) hat die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert und das beitragsfinanzierte System geschwächt.

Rentner wieder am Wohlstand beteiligen

Soziale Risiken, die ehemals für die überwiegende Mehrheit zentral über die Sozialversicherung abgesichert wurden, werden privatisiert und die Altersvorsorge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verteuert. 1957 wurden in der BRD die dynamische Rente eingeführt und die entscheidende Grundlage für das gesetzliche Rentenversicherungssystem (GRV) gelegt. Es sorgte dafür, dass Altersarmut kein gravierendes soziales Problem mehr war. Die Ausgangspunkte sind noch immer überzeugend: Das während der Berufsphase erzielte Erwerbseinkommen findet seine prozentuale Entsprechung in der Rente, sodass auch im Alter der Lebensstandard mit gewissen Abstrichen gehalten werden kann. Die Renten folgen der Lohnentwicklung, wodurch Rentnerinnen und Rentnern auch nach Aufgabe der Erwerbsarbeit eine fortlaufende Teilhabe am wachsenden Wohlstand gesichert wird - vorausgesetzt, Produktivitätszuwächse und Inflationsausgleich schlagen sich erfolgreich in der Lohnentwicklung nieder. Die lohnbezogene »dynamische« Rente war geboren. Die jeweils arbeitende Generation erwirtschaftet die Zahlungsbeträge, die sich Senioren durch ihre Beitragsleistungen ehemals erworben haben. Die aktuellen Beitragssätze müssen deswegen so bemessen sein, dass die in der Vergangenheit rechtlich erworbenen Rentenansprüche der Senioren eingelöst werden können. Dieses Leistungsziel gibt insofern die Höhe der Beitragssätze vor.

Union und SPD wollen Rentenkürzungen

Mit dieser bewährten Logik brachen SPD und Grüne und stellten die Rentenpolitik auf den Kopf. Zum obersten Prinzip der Rentenpolitik wurde die Beitragssatzstabilität erklärt, der sich das Leistungsziel unterordnen müsse. Die Arbeitgeber sollten so fortan vor steigenden Sozialabgaben geschützt werden. Die Lüge der Arbeitgeberverbände, steigende Lohnnebenkosten würden Arbeitsplätze vernichten, steuerte die staatliche Rentenpolitik. Das führte zur Aufgabe der dynamischen Rente. Die wachsende Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren ließ die Einnahmen der Rentenkasse sinken und bot Anlass zum Nachdenken über eine Stabilisierung des öffentlichen Rentensystems. Doch statt Rationalität waltete die Scharlatanerie. Die Demografiedebatte wurde aufgelegt, derzufolge es nicht machbar sei, dass immer weniger Einzahler immer mehr Rentner finanzieren. Diese Debatte greift bis heute um sich wie eine Seuche. Was die Angstmacher verschweigen: Grundlage jeder sozialen Verteilung ist die gesellschaftliche Wertschöpfung, die durch die Produktivitätsentwicklung beständig steigt. Bildet sich der Wertzuwachs auch in den Löhnen und Gehältern ab, sprudeln auch die Einnahmen in der Sozialversicherung. Ob also die Rente auch noch bei steigenden Ausgaben für mehr Rentner finanzierbar ist, ist grundsätzlich eine Frage der sozialen Verteilung des erwirtschafteten Werts. Wer aber die Beschäftigten weniger beteiligen und ihre Einkommen senken will, steigende Gewinne zudem nicht produktiv und beschäftigungswirksam investiert, der ruft die Finanzkrise des sozialen Sicherungssystems aus und macht eine »Reform«.

Zum Wohle der Versicherungswirtschaft

Die rot-grüne Regierung Schröder fuhr gleich mehrgleisig. Mit einer gezielten Niedriglohnpolitik wurden die Erwerbseinkommen gesenkt, die die Basis für die Beitragszahlung in die Sozialversicherung bilden. Zudem verdrängten Minijobs sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Zentrales Instrumentarium dieser Strategie sind die Hartz-Reformen und die Agenda 2010. Wirksame Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit gab es nicht. Die Einnahmen des gesetzlichen Rentensystems wurden so gemindert. Zugleich wurde die Parole von der Unabdingbarkeit der Leistungskürzung der Rente ausgerufen. Dieser vermeintliche Konsolidierungskurs in der Rentenpolitik war in Wirklichkeit der Dolchstoß für das gesetzliche System der Altersvorsorge. Die Beschäftigten werden so von zwei Seiten in die Zange genommen. Sie werden daran gehindert, ausreichend Beiträge einzuzahlen und ihre zukünftige Rente verliert relativ an Wert. Die Kombination dieser Faktoren wird dazu führen, dass das Leistungsniveau in der Rente um rund ein Drittel sinkt.
Die Große Koalition setzte diesem Szenario mit der »Rente mit 67« nochmals die Krone auf. Sie verschafft zukünftigen Rentnerinnen eine weitere Rentenkürzung, wenn nicht alle Beschäftigten bis zum 67. Lebensjahr voll berufstätig sind.
Die Grundlage der rot-grünen und der heutigen Rentenpolitik ist: Der Beitragssatz muss stabil bleiben, um die Sozialabgaben der Arbeitgeber zu begrenzen, was zu weniger Leistungen aus dem gesetzlichen Rentensystem führt. Sinken die Leistungen der gesetzlichen Rente, muss das Defizit durch private Zusatzvorsorge gestopft werden. Seitdem predigt die Regierung das Wohl der Privatvorsorge und fördert sie mit Milliarden. Jeder sollte auch eine betriebliche und eine private Versicherung haben, damit er nicht im Alter arm ist und dem Staat auf der Tasche liegt. Startschuss für die neue Strategie war
die Einführung der staatlich geförderten Riester-Rente im Jahre 2002. Sie nutzt aber gerade Geringverdienern nur dann, wenn sie im Alter nicht auf eine staatliche Fürsorge angewiesen sind.

Da die Arbeitgeber aus der paritätischen Finanzierung der Zusatzvorsorge entlassen wurden, zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sie selber. Sie ist also für sie teurer. Die Mär von der Generationengerechtigkeit in der Sozialpolitik bricht sich hier an der bitteren Realität. Es sind gerade die Jungen, welche die Zeche für die Privatisierungspolitik zahlen müssen. Bei relativ stabilen Beitragssätzen für das gesetzliche Rentensystem erhalten sie deutlich geringere Nettorenten und müssen zusätzlich aus eigener Tasche privat vorsorgen. Diese private Zusatzinvestition fürs Alter ist jedoch keine zusätzliche Absicherung, sondern nur eine private Kompensation für vorenthaltene Leistungen aus der gesetzlichen Pflichtversicherung. Doch selbst dies wird zudem laut Rentenversicherungsbericht 2007 auf absehbare Zeit nicht gelingen. Bereits in 15 Jahren hat ein Rentner mit zusätzlicher Riester-Rente insgesamt weniger Rente, als heute ein Ruheständler allein aus der Gesetzlichen Rente erhält.

LINKE: Gesetzliche Rente stärken - Altersarmut verhindern

Wenn man berechnet, wie lange ein Durchschnittsverdiener Beitragszahlungen leisten muss, um eine Rente auf dem Niveau der heutigen Grundsicherung zu erhalten, wird der Wertverlust der Rente schnell deutlich. Waren es vor der Riester-Reform 28 Jahre, werden es im Jahre 2030 bereits 36 Jahre sein.

Gewinner dieser Politik ist die Versicherungswirtschaft. Während die Regierung ihren Bundeszuschuss zum gesetzlichen Rentensystem eingefroren und damit auf Dauer gekürzt hat, rühmt sie ihre Subventionierung der privaten Vorsorge.
DIE LINKE setzt der gezielten Rentenkürzung eine Alternative entgegen: Das Herzstück der rot-grünen Rentenreform, die systematische Kürzung der Nettorenten, muss zurückgenommen und der Kreis der gesetzlich Versicherten auf alle Erwerbstätigen ausgeweitet werden. So wird das gesetzliche Rentensystem gestärkt und der Solidarausgleich im System ausgebaut. Was heute an Milliarden für die RiesterRente verpulvert wird, könnte der Staat direkt in das gesetzliche Rentensystem fließen lassen, um die Rentenansprüche von Geringverdienern gezielt aufzustocken. So erhalten sie am Ende ihres Arbeitslebens eine Rente, die höher ist als die staatliche Fürsorge.