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"Reichtum konsequent besteuern"

Von Dietmar Bartsch, erschienen in Clara, Ausgabe 28,

Weshalb die meisten Menschen von dem Steuerkonzept der Fraktion DIE LINKE profitieren, erläutert der Finanzexperte Dietmar Bartsch

In den Medien wird oft der Eindruck erweckt, DIE LINKE wolle die Steuern für alle Menschen erhöhen.

Dietmar Bartsch: Das ist Unsinn. Unser Steuerkonzept zielt auf mehr soziale Gerechtigkeit ab: Wir wollen kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlasten und große Einkommen und Vermögen stärker besteuern. Alle Menschen mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von rund 68.000 Euro (Single) profitieren von unserer Reform bei der Einkommenssteuer und haben mehr Netto vom Brutto.

Aber wenn Sie die Erbschaftssteuer reformieren, belastet das potenziell alle Bürgerinnen und Bürger.

Es geht uns nicht um Opas Pkw oder das Häuschen der Oma. Dafür sieht unser Konzept Freibeträge vor. Aber wir akzeptieren nicht, dass in den nächsten Jahren in Deutschland rund 2,6 Billionen Euro vererbt werden, ohne dass hierfür angemessene Steuern gezahlt werden. In Deutschland betragen die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer nur vier Milliarden Euro pro Jahr. Hätten wir eine Erbschaftssteuer wie in den USA, nähme der Staat jährlich etwa 40 Milliarden Euro ein.

Und die Finanztransaktionssteuer? Viele Menschen besitzen mittlerweile Aktien.

Zur Erinnerung: Wir fordern eine Steuer von 0,1 Prozent auf alle Finanztransaktionen. Jede Bürgerin und jeder Bürger zahlt beim Kauf oder Verkauf von Aktien viel höhere Gebühren an die Bank. Mit der Finanztransaktionssteuer wollen wir nicht nur zusätzliche Steuereinnahmen erzielen. Es geht auch darum, den Handel mit Aktien, Devisen, Derivaten an den Finanzmärkten einzudämmen und die Geschwindigkeit auf den Finanzmärkten zu drosseln.

Dann freut es Sie bestimmt, dass sich mittlerweile Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für diese Steuer einsetzt?

Das zeigt: Links wirkt. Die Idee, Finanz-transaktionen zu besteuern, stammt von dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac. DIE LINKE hat sie als einzige Fraktion frühzeitig im Bundestag aufgegriffen und unterstützt. Ich erinnere mich, wie vor Jahren im Haushaltsausschuss der damalige Finanzminister Peer Steinbrück diesen Vorschlag als – wörtlich – linke Spinnerei abgetan hat. Jetzt hat die CDU die Initiative ergriffen, nicht mit der nötigen Konsequenz zwar, aber es geht immerhin in die richtige Richtung.

Mit einer Millionärssteuer wollen Sie Privatvermögen von mehr als einer Million Euro mit fünf Prozent besteuern. Wie wollen Sie feststellen, wer ein solches Vermögen besitzt?

In unserem Steuerkonzept unterscheiden wir zwischen privatem und betrieblichem Vermögen. Besteuern wollen wir privates Geld- und Immobilienvermögen. Das ist vergleichsweise einfach zu ermitteln und muss dann entsprechend besteuert werden. Der öffentlichen Hand brächte eine solche Steuer zusätzliche Einnahmen von 80 Milliarden Euro im Jahr.

Wenn Sie diese Steuer dauerhaft erheben, schwindet dann nicht irgendwann die Basis,
die Sie besteuern wollen?

Ich will ein konkretes Beispiel nennen: Bei einer Person mit einem Geldvermögen von zwei Millionen Euro ist die erste Million steuerfrei, die zweite Million muss mit fünf Prozent besteuert werden. Das sind 50.000 Euro. Es bleiben also 1,95 Millionen Euro übrig. Bei den aktuellen Zinsen besitzt die Person am Ende des Jahres wieder fast zwei Millionen Euro.

Das klingt viel harmloser als die Forderung nach umfassender Umverteilung.

In Deutschland wurde viel zu lange ausschließlich von unten nach oben umverteilt. Wir wollen das ändern und Reichtum couragiert besteuern. Denn für eine sozial gerechte, ökologisch sinnvolle Politik benötigen Bund, Länder und Kommunen dringend mehr Geld.

 

Das Interview führte Ruben Lehnert.


Dietmar Bartsch: Der 55-Jährige war in den Jahren 1998 bis 2002 sowie seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags, wo er sich den Ruf eines renommierten Haushaltspolitikers erwarb. Die Themen Steuern und Finanzen gehören folglich zu den Arbeitsschwerpunkten des stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE. Der gebürtige Stralsunder setzt sich zudem für die Gleichbehandlung der Ostdeutschen bei Löhnen und Renten ein.