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Regierung lässt Schlecker-Mitarbeiter im Stich

erschienen in Klar, Ausgabe 24,

Über Tränen, unter Druck gesetzte Mitarbeiter und das Versagen der Bundesregierung spricht Schlecker-Betriebsrätin Mona Frias im Klar-Interview.

Wie haben Sie die vergangenen Wochen bei Schlecker erlebt?
Es sind die schlimmsten Wochen, die man sich im Berufsleben vorstellen kann. Es gab viele Tränen, ich hatte oft keine Lust, ans Telefon zu gehen, und schlaflose Nächte. Wir haben eine Bulldozermentalität des Insolvenzverwalters erlebt, die sich niemand vorstellen konnte. Betriebsratsmitglieder wurden massiv unter Druck gesetzt, nahezu gejagt, die Kündigungslisten sofort zu ak.zeptieren. Wir erfuhren die wichtigsten Details aus den Medien, nur die Schließungsliste kam per Fax. Alles wurde mit wenigen Informationen und ohne große Gespräche durchgepeitscht. Was die Frauen in den Filialen durchmachen, kann sich kaum einer vorstellen.
Welche Alternativen hätten es zu den Entlassungen gegeben?
Herr Schlecker hat die Zeit zu reagieren verpennt und nicht auf die Belegschaft gehört. Es gab unzählige Vorschläge und von allen die Bereitschaft, das Unternehmen wieder flottzukriegen.  Es ging wohl immer nur um Gewinne auf Kosten der Mitarbeiterinnen. Schlecker ist und bleibt ein schlechtes Beispiel der freien Marktwirtschaft, in der die Profite über alle sozialen Aspekte der Belegschaft gestellt werden.
Welche Hoffnungen bleiben noch?
Nach meinem Besuch mit vier Kolleginnen im Bundestag kaum noch welche. Was wir uns in der Debatte um Schlecker im Plenum von den Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition anhören mussten, war empörend. In der Debatte wurde uns klar, dass die Bundesregierung Tausende Frauen ohne Hilfe ihrem Schicksal überlässt. Wir saßen auf der Gästetribüne, durften nicht klatschen, buhen oder aufstehen. Die Polizei machte uns klar, dass es sonst eine Anzeige gäbe, die für uns nicht förderlich wäre. Lustige Warnung, wenn man sowieso entlassen wird…
Wie geht es weiter?
Ich weiß es nicht. Schlecker will sein Geld retten, die Belegschaft wird durch die Existenzängste eingeschüchtert. Im April/Mai soll es Neuwahlen für den Betriebsrat geben. Wir sollen mundtot gemacht, jeder Widerstand soll gebrochen werden.

Interview: Frank Schwarz