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Raus aus der Atomkraft und rein in erneuerbare Energien

erschienen in Clara, Ausgabe 20,

Die Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat der Welt erneut gezeigt: Atomkraftwerke sind eine tödliche Gefahr – egal ob in Japan, Deutschland oder sonst wo auf der Welt. Trotzdem setzt die Bundesregierung elf weitere Jahre auf Atomkraft. DIE LINKE dagegen kämpft für einen deutlich schnelleren Atomausstieg. Doch wie kann der so schnell wie möglich gelingen? In enger Zusammenarbeit mit Umweltschutzorganisationen, darunter Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), hat die Fraktion DIE LINKE ein Programm für den unverzüglichen Atomausstieg in Deutschland erarbeitet. clara präsentiert die sieben wichtigsten Schritte, mit denen ein Ausstieg aus der Atomenergie innerhalb von drei Jahren möglich ist.

Der 1. Schritt - die sofortige Stilllegung von elf Atomkraftwerken

Seit Jahren schon exportiert Deutschland Strom ins Ausland, weil der Kraftwerkspark überdimensioniert ist. Ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, könnten elf der siebzehn Atomkraftwerke (AKW) in Deutschland sofort stillgelegt werden. Dass damit keinerlei Einschnitte bei der Stromversorgung verbunden sind, zeigen die letzten Monate: Im Mai waren aufgrund des sogenannten Atom-Moratoriums und wegen laufender Revisionen 13 von 17 AKW nicht am Netz, ohne dass dies die Energieversorgung in Deutschland gefährdet hat.

Forderung:

- Die sieben ältesten AKW und das Pannen-AKW Krümmel müssen sofort und auf Dauer stillgelegt werden. Gleiches gilt für das wegen seiner Lage in einem Erdbebengebiet gefährdete AKW Neckarwestheim 2 sowie die AKW Gundremmingen B und C.

Der 2. Schritt - vollständiger Atomauasstieg bis zum Ende des Jahres 2014

Die verbleibenden sechs Atomkraftwerke mit einer gesicherten Erzeugungsleistung von maximal sieben Gigawatt können schrittweise bis Ende des Jahres 2014 abgeschaltet werden. Denn schon heute sind neue Gas- und Kohlekraftwerke mit einer Leistung von mindestens elf Gigawatt im Bau und gehen in den kommenden drei Jahren ans Netz. Bleiben einige fossile Kraftwerke wenige Jahre länger als geplant am Netz, bedeutet dies einen erheblichen Zuwachs an Energiekapazitäten. Zusätzlich kann durch ein neuartiges Management der Stromverbrauch in jenen Stunden des Jahres – üblicherweise an Winterabenden im Dezember oder Januar – geregelt werden, in denen die Stromnachfrage am größten ist. Dazu müsste eine Betriebsplanung bei Großverbrauchern wie Kühlhäusern und Anlagen der Metallerzeugung sowie in der chemischen Industrie erfolgen. Mit diesen Maßnahmen stünde jederzeit genügend Erzeugungsleistung zur Verfügung.

Forderung:

- Die übrigen Atomkraftwerke bis Ende des Jahres 2014 stilllegen: 2012 das AKW Brokdorf und das AKW Philippsburg 2; 2013 das AKW Grohnde und das AKW Grafenrheinfeld; 2014 das AKW Isar 2 und das AKW Emsland.

Der 3. Schritt - Atomausstieg in sGrundgesetz schreiben und EURATOM abschaffen

Die Bundesregierung muss umgehend ein Atomausstiegsgesetz vorlegen, das für heruntergesetzte Laufzeiten sorgt und die Stilllegung aller 17 AKW verbindlich regelt.

Damit der Atomausstieg unumkehrbar wird, muss er im Grundgesetz festgeschrieben werden. DIE LINKE hatte schon im April einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der im Grundgesetz ein Verbot der Nutzung von Atomenergie und Atomwaffen vorsieht. Da Atomkatastrophen nicht an Landesgrenzen haltmachen, muss der Atomausstieg in ganz Europa, später auch in der ganzen Welt vorangetrieben werden. Die europäischen Atombehörden müssen durch Institutionen ersetzt werden, die erneuerbare Energien fördern.

Forderungen:

- Das Verbot der Nutzung von Atomenergie und Atomwaffen im Grundgesetz verankern.

Den Vertrag zur Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM-Vertrag) auflösen.

- Einen europäischen Vertrag zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparung abschließen.

Der 4. Schritt - Klimaschutz und Atomausstieg: kein Widerspruch

Ein frühzeitiger Atomausstieg wird in diesem Jahrzehnt zu einer vorübergehenden Erhöhung der jährlichen CO2-Emissionen im Stromsektor führen. Durch einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien kann dieser Anstieg aber in den Jahren nach 2020 mehr als ausgeglichen werden. Um das zu garantieren, ist es wichtig, dass der Atomausstieg durch ein Sofortprogramm für die Erneuerbare-Energien-Wende begleitet wird.

Forderungen:

- Für Strom aus erneuerbaren Energien den Vorrang und eine gute Vergütung bei der Einspeisung ins Stromnetz beibehalten.

- Die Entwicklung und Etablierung effizienter Speichertechnologien fördern.

- Eine Offensive für mehr Energieeffizienz starten: ambitionierte, verbindliche Standards für den Energieverbrauch stromverbrauchender Geräte und industrieller Prozesse einführen.

- Einen Energiesparfonds (2,5 Milliarden Euro) mit speziellen Förderprogrammen für einkommensschwache Haushalte einführen, um beispielsweise den Kauf energieeffizienter Haushaltsgeräte?zu ermöglichen.

- Einen klimagerechten Umbau des Kraftwerksparks durch ein Kohleausstiegsgesetz sicherstellen.

Der 5. Schritt - Strompreise sozial abfedern, Markaufsicht wahrnehmen

Ein unverzüglicher Atomausstieg verändert die Kosten der Stromerzeugung. Die langfristig anfallenden, von der Gesellschaft insgesamt zu tragenden Kosten werden umso geringer, je schneller der Ausstieg erfolgt. Denn Atomstrom ist – wenn man die enormen Aufwendungen für Sicherheit und Entsorgung berücksichtigt – extrem teuer. Auf lange Sicht ist Strom aus regenerativen Energien weit kostengünstiger als Atomstrom. Kurzfristig und mittelfristig sind jedoch geringfügige Preissteigerungen zu erwarten. Diese werden nach Expertenschätzungen nicht mehr als ein Cent pro Kilowattstunde betragen. Bezogen auf einen Vier-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden bedeutet dies zusätzliche Kosten von ungefähr 35 Euro im Jahr. Um einen schnellen und sozial verträglichen Atomausstieg zu garantieren, ist eine wirksame Strommarktaufsicht wichtig, um die Marktmacht der vier großen Atomkonzerne RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW einzudämmen und ihre riesigen Extraprofite abzuschöpfen.

Forderungen:

- Eine wirksame und handlungsfähige staatliche Strompreisaufsicht einführen.

- Den Insiderhandel an Strombörsen als Straftatbestand ahnden.

- Die Brennelementesteuer zur Abschöpfung der Extraprofite aus dem Emissionshandel erhöhen.

- Stromsperren verbieten und verbindliche Stromsozialtarife einführen.

Der 6. Schritt - Atomausstieg schafft Arbeitsplätze

Die Energiewende und ein unverzüglicher Atomausstieg werden positive Beschäftigungseffekte haben. Während bei den vier großen Energiekonzernen in den letzten Jahren zigtausende Arbeitsplätze abgebaut wurden, arbeiten heute rund 370000 Menschen im Bereich der Erneuerbare-Energien-Branche. Das ist mehr als eine Verdopplung gegenüber dem Stand des Jahres 2004. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht von bis zu einer Million zusätzlichen Jobs durch den Atomausstieg. Dieser bedeutet für die Mitarbeiter in AKW nicht Arbeitslosigkeit. Ein Großteil von ihnen wird in einer ersten Phase für den Rückbau der AKW gebraucht. Gleichzeitig muss eine regionale Wirtschaftspolitik diesen Prozess begleiten, um an den Standorten für Ersatzarbeitsplätze zu sorgen.

Forderungen:

- Mit einer regionalen Wirtschaftspolitik an den AKW-Standorten Ersatzarbeitsplätze schaffen.

- In der Branche der erneuerbaren Energien tarifliche Entlohnung und gewerkschaftliche Rechte durchsetzen.

Der 7. Schritt - Energiekonzerne entmachten und energiewende demokratisieren

Der Atomausstieg muss gleichzeitig ein Einstieg in eine andere Energiepolitik sein. Es wird keine sozial-ökologische Energiewende geben, solange es nicht gelingt, die vier großen Energiekonzerne zu entmachten. Die Stromversorgung muss demokratisiert werden. Der Wille der Bürgerinnen und Bürger und nicht der Shareholder-Value der Aktienbesitzer von E.ON und RWE muss bei der Entscheidung über die zukünftige Energieversorgung im Vordergrund stehen. Bei Planungsverfahren für den Bau von Netzen, Speichern oder Erzeugungsanlagen müssen die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bevölkerung ausgeweitet werden. Schon vor Beginn der Planungsverfahren sind die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und einzubeziehen.

Forderungen:

- Die Energienetze in die öffentliche Hand überführen, Energieversorgung rekommunalisieren und Energiegenossenschaften fördern.

- Beiräte aus Umwelt- und Verbraucherverbänden und Gewerkschaften sollen mit verbindlichen Mitbestimmungsrechten den Energiewendeprozess auf allen Ebenen von Bund, Ländern?und Kommunen begleiten.

Benjamin Wuttke

Mehr zum Thema unter:

www.linksfraktion.de/atomenergie