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Programmpiraterie – Raubkopieren erwünscht

erschienen in Clara, Ausgabe 29,

Eine Glosse

Die Außendarstellung der Fraktion DIE LINKE, sie muss sich ändern. Dieser Satz wurde oft gesagt. Wieder und wieder. Aber nun ist es so weit. Die neue Kommunikationsstrategie wird kommen. Bald.

Der Vorstand arbeitet fieberhaft daran, das Parteiprogramm und alle Strategiepapiere „zum Schutz ideeller Besitzstände“ mit einer 256-Bit-Verschlüsselung zu versehen. Außer einer Handvoll Geheimnisträgern soll künftig niemand mehr wissen, was die Partei gerade will. Dadurch wird es der politischen Konkurrenz unmöglich gemacht, sich Themen anzueignen, die DIE LINKE gesetzt und lange allein vertreten hat – wie die Abschaffung der Studiengebühren, die Millionärssteuer oder den gesetzlichen Mindestlohn.

Es geht nicht anders. Denn leider arbeiten Sozialdemokraten nicht wie anständige Raubkopierer: In China werden Imitate oft unter allenfalls leicht modifizierten Markennamen angeboten. Wenn das Willy-Brandt-Haus sich originärer LINKEN-Themen bemächtigt, werden alle Hinweise auf die Urheber getilgt und eigene Etiketten aufs Plagiat geklebt. Insofern ist es nur gerecht, dass der SPD die frisch geklaute Idee vom Mindestlohn gleich wieder abgenommen wurde – von den Koalitionsparteien. Sogar die FDP ist nun für Lohnuntergrenzen, wenn auch ganz tief unten. Allerdings kann sich auch Schwarz-Gelb nicht sicher sein, in der Öffentlichkeit dauerhaft als Vorkämpfer der Arbeitnehmerrechte wahrgenommen zu werden: Jeden Moment könnte der Bundesverband der Deutschen Industrie Seit’ an Seit’ mit der Schwester-Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände unter ihrem Präsidenten und Arbeiterführer Dieter Hundt mit der Forderung nach 10 Euro plus x ganz nach vorn preschen.

Ginge der Zoll nicht nur gegen Produkt-, sondern auch gegen Programmpiraterie vor, könnten CDU-Veranstaltungen nur noch konspirativ stattfinden. Andernfalls stürmten sofort Beamte den Saal, beschlagnahmten alle Kopien, und Themenstaubsaugerin Angela Merkel bräuchte mindestens so gute Anwälte wie Uli Hoeneß.

Besonders befremdlich an der Plagiatsnachahmung ist, dass ausgerechnet Peer Steinbrück sich darüber ereifern kann: Erstens scheint er ernstlich davon überrascht zu sein, dass in der politischen Heimat von Guttenberg, Schavan und Koch-Mehrin eine derartige Aneignungskultur herrscht. Und zweitens glaubt er offenbar wirklich, als Erster und Einziger und schon immer für den Mindestlohn gekämpft zu haben. Das deutet auf eine gewisse kognitive Problematik beim Spitzenkandidaten hin. Womöglich muss er auch medizinisch auf Kanzlertauglichkeit untersucht werden.

Aus den genannten Gründen wird im Vorstand der Partei DIE LINKE derzeit diskutiert, neben der Geheimhaltung aktueller Vorhaben parallel die Unterwanderung der politischen Konkurrenz zu betreiben. Über raffinierte Parteitrojaner, die sich die Nachahmer zusammen mit inhaltlichen Zielen einfingen, könnte man sich über die Programmatik der Mitbewerber informieren. Pragmatische Kritiker weisen das entschieden zurück: Ein solches Vorgehen sei nicht nur rechtlich inakzeptabel, sondern darüber hinaus höchst überflüssig – warum solle man sich aufwendig Papiere beschaffen, die man größtenteils kenne, weil man sie doch selbst …

Viel effektiver sei es, über die anderen Parteien genau diejenigen Vorhaben zu befördern, die DIE LINKE vorantreiben will, allein aber nicht durchsetzen kann. Noch zögern CSU und FDP beim Einfordern eines dritten steuerfinanzierten Sabbatjahrs, man darf aber getrost davon ausgehen, dass sie nur noch auf den passenden Moment warten.

Außer den Inhalten sollte DIE LINKE zunehmend auch die Personalpolitik der Konkurrenten prägen. Erste Anfänge sind gemacht. Auf welche Art und Weise es allerdings gelungen ist, die SPD dazu zu bringen, Steinbrück zu ihrem Kanzlerkandidaten zu machen, unterliegt der Schweigepflicht.