Zum Hauptinhalt springen

Plädoyer für Wahlarbeitszeiten

erschienen in Lotta, Ausgabe 11,

Der Deutsche Juristinnenbund entwickelte ein Konzept für ein Wahlarbeitszeitgesetz. Unter diesem Schirm könnten Unternehmen selbstverantwortlich handeln.

Erwerbsarbeit und ihre zeitlichen Anforderungen an Beschäftigte sind je nach Lebensphase nicht einfach miteinander zu vereinbaren. Vor allem Frauen, die in Paarbeziehungen und als Mütter zusätzlich zum Beruf den ganz überwiegenden Teil der Haus- und Sorgearbeit leisten, weichen darum oft in Teilzeit und geringfügige Arbeitsverhältnisse aus. Die verstetigen sich im Lebensverlauf, während erwerbstätige Männer fast immer Vollzeit arbeiten. Das hat fatale Folgen für die eigenständige Existenzsicherung und für die Altersvorsorge von Frauen, begünstigt das Machtgefälle in der Partnerschaft und verfestigt so Rollenstereotype.

Vor diesem Hintergrund hat der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung die essenzielle Bedeutung von Arbeitszeitflexibilität und Zeitverwendung für die Gleichstellung betont und ein Wahlarbeitszeitgesetz angeregt. Der Gesetzgeber ist gefragt, mit einem zeitgemäßen Arbeits- und Sozialrecht steuernd einzugreifen. Der Deutsche Juristinnenbund mit seiner Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht unter Vorsitz von Professorin Dr. Heide Pfarr entwickelte ein Konzept für ein Wahlarbeitszeitgesetz, das beim 41. Bundeskongress des Juristinnenbundes im September 2015 in Münster vorgestellt wurde.

Wahlarbeitszeitkonzepte für alle Betriebe kann der Gesetzgeber nicht vorgeben. Die gestalterischen Möglichkeiten der Unternehmen sind ganz unterschiedlich.

Ein Wahlarbeitszeitgesetz muss alle Betriebe aller Branchen und aller Größen erfassen und überall differenzierte Lösungen zulassen. Ein Wahlarbeitszeitgesetz, das dem Konzept einer regulierten Selbstregulierung folgt, kann dies auch leisten. Es nennt Zielsetzungen und Rahmenbedingungen, gibt Formen und Fristen, Verfahren und Beteiligungsrechte vor und zählt Themenkomplexe auf, die für ein betriebliches Wahlarbeitszeitkonzept geprüft werden müssen. Selbstverantwortliches Handeln unter dem Schirm des Gesetzes also.

Unverzichtbar sind flankierende Regelungen im Sozial- und Steuerrecht. Ein Wahlarbeitszeitgesetz darf nicht nur ein Angebot an diejenigen enthalten, die sich eine Verminderung ihres Erwerbseinkommens durch eine Reduzierung der Arbeitszeit leisten können. Der Gesetzgeber muss entscheiden, wie und welche Einkommensausfälle finanziell abgesichert werden.

Ramona Pisal ist Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes