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Petitionen – Verbrieftes Recht auf Einmischung

Von Kersten Steinke, erschienen in Lotta, Ausgabe 6,

Im Gespräch Kersten Steinke, Vorsitzende des Petitionsausschusses.

Was war das für ein Gefühl, für eine dritte Amtszeit wiedergewählt zu werden?

Es ist schon Stolz, auch eine Bestätigung meiner Arbeit. Ich mache die ja auch richtig gern, obwohl es anfänglich ziemlich schwierig war. Man muss sich einarbeiten, das ist mir gelungen über die vielen Jahre. Damit wird man auch sicherer und selbstbewusster.

Was war denn so schwierig zu Beginn?

Na ja, es wurde versucht, DIE LINKE zu ärgern. Wir hatten damals eine Petitionsübergabe gemacht, „Bundes- wehr raus aus Afghanistan“. Dazu gab es viele Unterschriften. Als der Karton mit den Petitionen geöffnet wurde, lag die Unterschriftenliste der PDS ganz oben. Die anderen Ausschussmitglieder sind völlig ausgerastet. Das sei eine parteipolitische Vereinnahmung, so der Vorwurf. Das war natürlich Quatsch, denn Kirchen und Bürgerinitiativen hat- ten genauso viele Unterschriften gesammelt. Aber mich hätten die im Jahr 2005 am liebsten abgesetzt. Ich war so enttäuscht. Wusste aber, ich muss mich durchbeißen, allerdings nicht mit der Brechstange. Man muss mit den Leuten kooperieren, menschlich miteinander klarkommen. Es gibt in so einem Ausschuss unterschiedliche politische Sichtweisen, die müssen mit Fairness und Sachlichkeit ausdiskutiert werden.

Damals gab es eine Große Koalition, jetzt erneut, sogar mit einer satten Mehrheit. Wie geht da Zusammenarbeit im Ausschuss?

In der vergangenen Wahlperiode waren wir 14 :12; 14 Abgeordnete der Koalition, 12 von der Opposition. Insgesamt sind 26 Abgeordnete im Ausschuss und jetzt heißt das Verhältnis 20 : 6. Das ist eigentlich unerträglich. Die SPD hatte in der letzten Legislaturperiode ja Voten der Opposition und jetzt kommen natürlich auch wieder Petitionen zum selben Thema. Da wird es interessant, wie sie sich verhalten. Ob sie sich erinnern, wie sie noch vor einem halben Jahr entschieden hätten?

Wie werden Petitionen bearbeitet?

Jede Petition muss von einem Koalitionsabgeordneten und Oppositionsab- geordneten bearbeitet werden. Das heißt, 20 Leute bearbeiten genauso viel wie 6 Leute. Drei Grüne, drei Linke - das ist ein riesiger Arbeitsaufwand, wir haben viel mehr zu tun als die Koalitionäre. Aber wir werden das schaffen, denn dafür sind wir gewählt.

Begreifen die Menschen Petitionen als Chance, sich politisch einzu- mischen? Also die Anzahl der Petitionen ist nicht mehr geworden, angestiegen ist aber die Beteiligung an Petitionen. Einfach durch unsere Petitionsplattform im Internet, auch durch die Möglichkeit, Petitionen per E-Mail einzureichen. Jeder hat die Chance, sich zu beteiligen und mitzuzeichnen. Und so haben wir auch schon mal 50 000 oder 100 000 Unterstützerinnen und Unterstützer.

Der Petitionsausschuss wird salopp als „Kummerkasten“ bezeichnet. Was kann er bewirken?

Ich bin so viel im Land unterwegs und immer wieder spielen Petitionen eine Rolle. Ich ermutige auch die Leute, sich zu wehren, Widerspruch einzulegen. Es sind etwa 30 Prozent der Petenten, denen allein durch Rat und Auskünfte geholfen werden kann. Wenn Heil- und Hilfsmittel nicht bezahlt werden oder die Medikamentenzuzahlungen, dann wenden sich die Betroffenen an uns. Mit scheinbar kleinen Anliegen, für sie ist das jedoch lebenswichtig. Und wenn wir dann helfen können, weil wir mit den Krankenkassen in Kontakt treten, dann ist viel erreicht. Das eint uns auch im Ausschuss, dass wir helfen wollen und können.

Und bei brisanten politischen Themen?

Da wünschte ich, dass Themen, die durch Petitionen auf den Tisch gekommen sind, auch im Bundestag diskutiert werden. Die FDP hatte in der letzten Wahlperiode einen Vorstoß gemacht. Bei 100 000 Unterschriften sollte das Petitionsthema auch im Parlament diskutiert werden. Das kam leider nicht zum Tragen. Das muss ja aber nicht für immer so bleiben.

Das Gespräch führte Gisela Zimmer

 

Schon gewusst?

2013 wurden insgesamt 14 800 Petitionen eingereicht. Darunter betrafen 5 967 die Bundesgesetzgebung, das entspricht 40,6 Prozent. Pro Arbeitstag trafen durchschnittlich 59 neue Petitionen ein. An Petenten und Institutionen gingen 65 648 Antwortschreiben.

 

Schwerpunkte der Anliegen

Arbeit und Soziales 21 Prozent

Rechtsfragen 12,7 Prozent

Innere Angelegenheiten 12,1 Prozent

Steuer- und Finanzfragen 11,1 Prozent

Gesundheit und Pflege 8 Prozent

 

Wer sind die Petenten?

68 Prozent Männer

25 Prozent Frauen

1 Prozent juristische Personen (Organisationen und Verbände)

5 Prozent Sammelpetitionen (Unterschriftensammlungen)

1 Prozent ohne Angabe

 

Sammelpetitionen

805 Petitionen mit insgesamt 1 024 378 Unterschriften

 

Aktivste Bundesländer (Anzahl Petitionen je 1 Millionen Einwohner)

Berlin 436

Brandenburg 237

Bayern 196

Thüringen 196

Schleswig-Holstein 182

 

Ergebnis der Ausschussberatungen

Von den 7.621 beratenen Petitionen

· konnte 64 Prozent nicht entsprochen werden

· 18 Prozent wurde entsprochen und Abhilfe geschaffen

· 13 Prozent erhielten hohe Voten zur Überweisung und Erledigung durch

die Bundesregierung

· circa 5 Prozent wurden an die Bundesregierung, Fraktionen, an das EU-Parlament oder an andere Volksvertretungen überwiesen – zur Information oder weiteren zuständigen Bearbeitung

 

Spaß-Petitionen

· In Ergänzung einer normalen Ehe wird eine „Ehe light“ gefordert. Sie soll automatisch nach fünf Jahren enden.

· Eine Petition forderte, dass neben der Messung des Bruttosozialprodukts auch das Bruttonationalglück gemessen wird – ähnlich dem Vorbild des Landes Bhutan. Dies war eine öffentliche Petition mit 234 Unterschriften!

· Ein Petent wollte die Einführung einer Frauenquote im Herrenfußball erreichen.