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Offene Gesellschaft statt Geheimdienstschnüffelei

Von Jan Korte, erschienen in Clara, Ausgabe 25,

Die Forderung ist nicht neu, aber aktuell wie schon lange nicht mehr: Der Verfassungsschutz gehört aufgelöst. Dafür gibt es gute Gründe, argumentiert der Innenpolitiker Jan Korte (DIE LINKE) und macht Vorschläge zur Abwicklung der Behörde.

Wie ohnmächtig, gewollt oder ungewollt, der Verfassungsschutz bei der Abwehr rechtsextremer Gewalt ist, bewies die Behörde oft genug. Traditionell hat er den Feind der Demokratie ohnehin stets bei den Linken verortet. Beim KPD-Verbot 1956 und dem Radikalenerlass 1972 spielte er eine wichtige Rolle, er bespitzelte Studierende seit den Sechzigern, überwachte Anti-Atom- und Anti-Volkszählungs-Aktivisten. Die Liste ließe sich beliebig lang weiterführen – mit einer unerschütterlichen Kon-stante: Der Verfassungsschutz hat linke, engagierte Bürgerinnen und Bürger ganz besonders fest ins Visier genommen.

Die jetzt lauten, aber unbeholfenen Rufe nach einer Reform des Verfassungsschutzes taugen nicht viel. Die politischen Schlussfolgerungen, die die Regierungskoalition und die SPD bisher aus dem Versagen des Verfassungsschutzes gezogen haben, führen in die falsche Richtung, weil sie im Kern nichts ändern wollen.

Doch der Rechtsstaat lässt sich nicht mit Mitteln schützen, die jenseits des Rechtsstaats liegen. Der Verfassungsschutz ist nicht nur ein Relikt des Kalten Kriegs, er ist vor allem ein akutes Problem für die Demokratie selbst. Alle Versuche einer demokratischen Kontrolle von Geheimdiensten sind bisher gescheitert. Denn diese Organe führen ein abgeschottetes Eigenleben und entziehen sich folgerichtig den demokratischen Geboten von Transparenz, parlamentarischer und öffentlicher Kontrolle. Das liegt in ihrer Logik. Sie sind und bleiben gefährliche Fremdkörper in der Demokratie.

Kurzum, es gibt kein demokratisches Spitzeln! Und ein »Weiter so!« erst recht nicht! Deshalb habe ich ein Zwölf-Punkte-Sofortprogramm vorgelegt, das die Schritte hin zu einer Auflösung des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern konkret beschreibt. Danach soll das Bundesamt für Verfassungsschutz bis zum Jahr 2014 auf seine ursprünglichen Aufgaben der Informations- und Koordinierungsstelle reduziert werden. Die Landesämter sollen zu Abteilungen der Innenministerien werden und ebenso wie die Bundesbehörde nicht mehr mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeiten dürfen. Das heißt, die V-Leute werden abgeschaltet, das Überwachen des Fernmelde- und Postverkehrs gehört ebenso zur Geschichte wie Observationen und das Aufzeichnen und Entschlüsseln von Kommunikation.

Anschließend wird der (dann ehemalige) Geheimdienst zu einer Informations- und Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie umgebaut. Damit wären wir unserem Ziel, eine geheimdienstfreie Gesellschaft zu schaffen, einen großen Schritt nähergekommen.

Jan Korte ist Leiter des Arbeitskreises III – Demokratie, Kultur, Wissen und Bildung der Fraktion DIE LINKE.