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NSU-Mordserie - "Viele glauben immer noch, sie hätten alles richtig gemacht"

Von Petra Pau, erschienen in Klar, Ausgabe 30,

Seit einem Jahr beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit den Morden des NSU-Mördertrios. Klar fragte nach bei Petra Pau, die für die Fraktion DIE LINKE im Ausschuss sitzt.

Nach jüngsten Medienberichten waren mehr als 24 Spitzel im Umfeld des NSU-Mördertrios. Wie konnte es da unentdeckt bleiben?

Petra Pau: Diese konkrete Zahl kann ich nicht bestätigen. Aber richtig ist, im Umfeld des Nazi-Trios agierten etliche V-Leute verschiedener Sicherheitsbehörden. Einige lieferten auch Informationen, die im Rückblick durchaus zur Ergreifung der untergetauchten Nazi-Bande hätten führen können. Ob Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe 13 Jahre lang wirklich unentdeckt raubten und mordeten, gehört weiterhin zu den brisanten Fragen. Wenn nicht, dann wäre das ein unglaublicher Staatsskandal.

Nach einem Jahr Ausschussarbeit: Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis?

Erstens, weder die Sicherheitsbehörden noch die vorherrschende Politik waren und sind auf die realen rechtsextremen Gefahren eingestellt. Sie werden verharmlost, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Zweitens, die Ermittlungen waren, von kurzen Ausnahmen abgesehen, höchst einseitig. Sie hatten rassistische Züge. Drittens, fast alle Zeugen im Untersuchungsausschuss, egal ob hochrangige Beamte oder Politiker, glauben auch nach dem Desaster noch, sie hätten alles richtig gemacht.

Der Ausschuss soll auch Schlussfolgerungen für Struktur und Befugnisse der Sicherheitsbehörden ziehen. Was ist Ihre persönliche Schlussfolgerung für den Verfassungsschutz?

Die Ämter für Verfassungsschutz standen im Zentrum des Versagens. Im besten Fall haben sie Ermittlungen nicht befördert, im schlechtesten Fall regelrecht behindert. Zur Erinnerung: Auf das Konto der NSU-Nazis kamen zehn Ermordete, Dutzende Verletzte und etliche Raubzüge. Kurzum: Die Ämter für Verfassungsschutz sind als Geheimdienste aufzulösen.

Was kommt nach dem Ausschuss?

Der Ausschuss wird einen Abschlussbericht vorlegen. Dazu werden Schlussfolgerungen gehören, Empfehlungen. Im Plenum des Bundestags wird es am 3. September 2013 dazu eine abschließende Debatte geben. Ob die Untersuchungen danach fortgeführt werden, entscheidet nach der Wahl souverän der neue Bundestag.

In München findet der NSU-Prozess statt. Das zuständige Oberlandesgericht wurde vor Prozessbeginn wegen seiner Vergabepraxis für Medienplätze im Gerichtssaal kritisiert. Zu Recht?

Das Gericht ist unabhängig und muss selbst wissen, was es tut. Aber man stelle sich mal vor, türkische Nazis hätten in der Türkei gezielt neun Deutsche hingerichtet. In Ankara käme es zum Prozess und kein deutscher Journalist hätte Zugang. BILD würde mit doppelt großen Lettern wettern, und ein Regierungssprecher würde umgehend verkünden, die Türkei sei nicht EU-reif.

Petra Pau ist Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags