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Mir ist da jemand begegnet: kleine, großartige Powerfrau

erschienen in Clara, Ausgabe 2,

Wie eine Revolutionärin aus Bolivien Jan Korte beeindruckte

Die Stimme der kleinen Frau am Mikrofon wird lauter, die Sprechgeschwindigkeit nimmt zu. Aus der zurückhaltenden, schüchternen Miene ist ein fester, klarer Blick geworden. »Wenn ihr hier in Freiburg die Wohnungen der Stadt behalten wollt, dann müsst ihr aufstehen und dafür kämpfen. Geschenkt wird niemandem etwas. Venceremos!«, ruft Mercedes Quispe dem Publikum im Jazzkeller Freiburgs zu und erntet stürmischen Applaus. Die 43-Jährige aus Alta Una, der ärmsten Stadt in Lateinamerika, gehört zu den Frontfrauen in ihrer Heimatstadt. Obwohl die Köchin nicht viel verdient, hat sie ihren Mann nach vielen Machoeinlagen aus dem Haus geworfen und lebt mit ihrer elf Jahre alten Tochter allein. Mercedes hat Demonstrationen organisiert und vor allem als Vizepräsidentin viele Frauen der Nachbarschaftshilfe mobilisiert. »Was wir in Bolivien und Venezuela geschafft haben, das könnt ihr hier in Deutschland auch schaffen. Aber ihr müsst kämpfen«, fügt die 1,55 m kleine Powerfrau aus Lateinamerika hinzu. Der Bundestagsabgeordnete Jan Korte klatscht auf dem Podium als einer der Gesprächsteilnehmer der Veranstaltung ›Meet the Revolution‹ drei Plätze neben Mercedes begeistert mit und nickt mit dem Kopf. Eigentlich gehört er als junger Linker zu den Stürmern und Drängern in der Linksfraktion des Bundestages. Hier trifft der Mann aus Hannover auf eine Frau, die seine Erwartungen an Engagement und Enthusiasmus bei den Gästen aus Lateinamerika bei weitem übertrifft. Nicht, dass Jan Korte nicht auch seine Zuhörer begeistern und mit kämpferischen Statements fesseln könnte, aber bei Mercedes schwingt mit den Worten das Gefühl aus tiefem Herzen spürbarer mit. »Da können wir echt noch etwas lernen. Die Frau ist Klasse. Wenn man ein Beispiel für Leute sucht, die ihre Ziele selbstbewusst und glaubwürdig vertreten können, dann muss man nur Mercedes zuhören und -sehen«, sagt Jan Korte.

Der 30-Jährige wird von vielen älteren Abgeordneten im Deutschen Bundestag als intellektueller Unruheherd der Politgeneration von Morgen eingeschätzt. »Ich möchte nicht ruhig sein, sondern Themen und Probleme immer wieder so ansprechen, dass sie jedermann versteht und meine Position dazu nachvollziehen kann«, sagt Jan Korte. Dabei gebe es sehr oft das Problem der Trägheit. Bei Politikern und Gästen vieler Veranstaltungen gleichermaßen. Viel werde geredet, oft an Empfindungen und Bedürfnissen der Menschen vorbei. Manchmal provokant, dennoch immer mit Stil und ungeduldig ist er. Für deutsche Verhältnisse dynamisch und drängend. Mit der Powerfrau aus Bolivien trifft Jan Korte nun auf ein Beispiel dafür, wie eine Steigerung von Engagement, Kompromisslosigkeit und Motivation für das Erreichen ferner Ziele aussieht.

Umso mehr hält die Begeisterung bei Jan Korte von einer Veranstaltung der Linksfraktion in Freiburg im zurückliegenden November an, in der es an Emotionen und Begeisterung gar nicht genug geben konnte. Während der Tour ›Meet the Revolution‹ erzählten Mercedes Quispe aus Bolivien und Freyman Garcia aus Venezuela von den Ereignissen in Lateinamerika und ihren Erlebnissen dabei. »Mercedes war Klasse. Dabei fand ich nicht nur sehr beeindruckend, was sie sagte, sondern wie sie es sagte. Enthusiasmus und Gefühl schwangen in einer Weise mit, wie wir es in Deutschland nur allzu selten erleben«, erinnert sich Jan Korte. Der über die Landesliste der PDS in Sachsen-Anhalt gewählte Korte sieht sich durch die Gäste aus Lateinamerika bestätigt und motiviert. Gerade bei der Diskussion um den Sozialismus und soziale Gerechtigkeit auf der Welt. »Die SPD verabschiedet sich gerade vom Begriff soziale Gerechtigkeit und will nur noch die soziale Demokratie. Die Dynamik der Ereignisse und die Entwicklung in Venezuela, Bolivien und teilweise in Mexiko zeigen, was passiert, wenn soziale Gerechtigkeit die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr erreicht. Umso mehr werden wir Linken in Deutschland für die soziale Gerechtigkeit streiten«, sagt Jan Korte.

Zehn Tage nach der Veranstaltung ›Meet the Revolution‹ in Freiburg sprachen noch viele Besucher von der kleinen, großartigen Powerfrau aus Bolivien. Als ob die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Freiburg den Aufruf von Mercedes Quispe gehört hätten, stimmten sie gegen die Privatisierung der kommunalen Wohnungen in ihrer Stadt. »Das muss ich unbedingt Mercedes erzählen«, lacht Jan Korte.