Zum Hauptinhalt springen

Merkels Pförtner

erschienen in Klar, Ausgabe 6,

Glosse

Angela Merkel hat einen Hausmeister, einen Gärtner, einen Koch und mehrere Pförtner im Bundeskanzleramt um sich geschart. Das versteht jeder. Da gibt es keinen Sozialneid. Das muss sein! Ein so großes Haus kann die Kanzlerin ohne Hilfe nicht allein bewirtschaften. Es gibt immer etwas zu tun.

Wenn ich am Bundeskanzleramt vorbeilaufe, sehe ich dort blühende Landschaften, so wie es der Altkanzler Kohl vorausgesagt hat. Hat die Kanzlerin also ihr Haus voll im Griff? Beim Blick über den Gartenzaun scheint es so.

Doch es gibt ein Gesetz in der Politik, das lautet: Ein politisches Problem muss nur groß genug sein, sodass sich die Regierung damit nicht beschäftigt. Ein solches Problem ist der Aufbau Ost.

Keine Sorge, jetzt kommt nicht die Forderung, dass der Osten mehr Geld braucht. Braucht er nicht. Der Osten braucht kluge Köpfe. Noch besser wäre es, wenn diese klugen Köpfe ihre Ideen an entscheidender Stelle vortragen und umsetzen könnten.
Deshalb fragte ich die Kanzlerin, wie viele kluge Köpfe im Bundeskanzleramt darüber nachdenken, wie das Geld für den Aufbau in Ostdeutschland am besten angelegt werden kann. Ihr Vorgänger hatte den Osten zur Chefsache gemacht und dann das Problem an einen Staatssekretär abgeschoben. Der hatte allerdings keine guten Ideen. Dieser Staatssekretär wurde von der Kanzlerin in das Gesundheitsministerium versetzt und nun darf er dort auch keine guten Ideen haben.

Die Kanzlerin antwortete mir auf meine Frage, dass von den 500 Angestellten und Beamten des Bundeskanzleramtes zwei Stellen für den Aufbau Ost existieren. Zwei Stellen sind nicht wirklich viel, wenn es um die sinnvolle Verteilung von über 135 Milliarden Euro geht. Nicht, dass man mich falsch versteht: Ich will den Beamtenapparat nicht weiter aufblähen, aber die Vorstellung, dass in der Pförtnerloge des Kanzleramtes mehr Menschen sitzen als in der Abteilung, die den Aufbau Ost koordinieren soll, macht mich nachdenklich. Noch nachdenklicher macht mich, dass nur eine von den zwei Stellen besetzt ist - und zwar die der Sekretärin.

Von Gesine Lötzsch