Zum Hauptinhalt springen

„Menschen messe ich nicht in Geld“

erschienen in Klar, Ausgabe 18,

„Was bin ich wert?“ – Es gehört viel Mut dazu, sich diese Frage von zahlreichen Behörden, Regierungsberatern und Ökonomen beantworten zu lassen. Der Journalist Jörn Klare (45) hat die Antworten in einem Buch (suhrkamp nova, 14,90 Euro) veröffentlicht.

Wonach bemessen Sie den Wert eines Menschen?

Jörn Klare: Nicht nach Geld. Für mich zählt beispielsweise, wie nah ein Mensch mir steht, so wie meine Familienmitglieder.

 

Sie haben auch bei Versicherungen und Rentenexperten recherchiert. Offenbar wird dort der Wert eines Menschen nach seiner noch zu erwartenden wirtschaftlichen Leistung ermittelt. Das Ganze erinnert an die Restwertberechnung eines Leasingvertrags. Hat Sie das überrascht?

Es stimmt, dass häufig betrachtet wird, was ein bestimmter Mensch der Volkswirtschaft noch bringen kann. Seine bisherige Leistung hat für die meisten dieser Rechnungen keine Relevanz. Auch wenn man sich im Privatleben manchmal fragt, was man für diesen oder jenen Menschen alles geben würde, sollten Menschen von staatlicher Seite so nicht betrachtet werden. Wenn der Staat anfängt, seine Bürger nach volkswirtschaftlichen Kriterien zu bewerten, hat das etwas Zynisches und sollte abgelehnt werden. Der Staat hat vielmehr die Aufgabe, die Würde der Menschen zu schützen, wie es im Grundgesetz steht.

 

Wie erleben Sie die Diskussion über die Thesen von Thilo Sarrazin?

Ich will ihm nichts unterstellen, aber wenn man damit beginnt, bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu fragen, was sie uns als Gesellschaft bringen, wie geht es dann weiter? Irgendwann sagt jemand: Was ist mit den Rentnern, was ist mit den Leuten, die diesen oder jenen Bildungsabschluss nicht gemacht haben? Also, wenn man anfängt, Bevölkerungspolitik aus volkswirtschaftlicher Perspektive zu betreiben, kommt man schnell in Teufels Küche und wandelt plötzlich sehr nah am Abgrund.