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„Mein Wunsch: ein Job, von dem ich leben kann“

erschienen in Klar, Ausgabe 42,

Uwe Ullrich (51) aus Wiesbaden hat einen Wunsch: Er möchte endlich wieder arbeiten und als Postzusteller seinen Lebensunterhalt verdienen. Acht Jahre lang war er in Teilzeit als Post- und Zeitschriftenzusteller tätig, gewissenhaft und zuverlässig. Seit drei Jahren ist er arbeitslos. Seitdem hat er viele Bewerbungen geschrieben – und genauso viele Absagen erhalten.

So bleibt Uwe Ullrich gefangen im System von Hartz IV. Vom Jobcenter erhält er pro Monat den Regelsatz in Höhe von 409 Euro. Das Geld muss reichen für Ernährung, Kleidung und Hausrat. „Ein menschenwürdiges Leben ist so nur schwer möglich“, sagt er. Eine Bahnfahrt zu Verwandten, ein neues Fahrrad oder der Eintritt fürs Schwimmbad bedeuten für ihn Luxus.

Uwe Ullrich ist kein Einzelfall. Wer die Arbeit verliert, landet spätestens nach 24 Monaten in Hartz IV, die meisten deutlich früher. Aktuell leben hierzulande rund 6 Millionen Menschen von Hartz IV, darunter etwa 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche. Zwar weist die amtliche Statistik im April 2017 lediglich knapp 2,6 Millionen Arbeitslose aus. Doch bei der Statistik wird getrickst: Da unter anderem Erwerbslose mit Ein-Euro-Jobs und in Weiterbildungsmaßnahmen nicht als arbeitslos geführt werden, ist die tatsächliche Arbeitslosigkeit deutlich höher und liegt bei rund 3,6 Millionen.

Die Hartz-Gesetze, beschlossen von SPD und Grünen gemeinsam mit CDU/CSU und FDP, haben die Arbeitswelt in Deutschland radikal verändert. Seitdem boomt in Deutschland der Niedriglohnsektor: Millionen Menschen leiden unter Leiharbeit, Werkverträgen, Minijobs, befristeten Arbeitsverträgen und erzwungener Teilzeit.

Von Hartz IV werden Erwerbslose und Erwerbstätige gleichermaßen unter Druck gesetzt. Erwerbslose werden dazu gedrängt, fast jeden Job anzunehmen. Wer nicht spurt, wird bestraft. Allein im Jahr 2016 verhängten die Jobcenter rund 940.000 Sanktionen. Als Strafe für zumeist kleinere Meldeversäumnisse wurden den Erwerbslosen Teile des Regelsatzes gekürzt. Seit dem Jahr 2007 wurden Hartz-IV-Beziehenden insgesamt 1,7 Milliarden Euro vorenthalten. Zugleich diszipliniert die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, Millionen abhängig Beschäftigte. Viele Unternehmen nutzen das aus: Sie erpressen von den Belegschaften Zugeständnisse bei Löhnen und Arbeitsbedingungen.

Uwe Ullrich, der früher auch als Gebäudereiniger und Gartenhelfer gearbeitet hat, gibt nicht auf. Weiterhin wird er Bewerbungen schreiben, um sich seinen Wunsch nach einem Arbeitsplatz zu erfüllen. Über seine Ansprüche an ein gutes Leben sagt er: „Ein voller Kühlschrank, ab und zu neue Kleidung, etwas Geld für Bücher und Filme – und eine Arbeit, von der ich menschenwürdig leben kann!“