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Löchriger Mindestlohn

Von Klaus Ernst, erschienen in Klar, Ausgabe 33,

Bald gilt in Deutschland ein Mindestlohn. Doch rund drei Millionen Menschen gehen zunächst leer aus.

Seit mehr als zwölf Jahren kämpft DIE LINKE für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, um Armut trotz Arbeit zu verhindern. Jahrelang stand sie mit ihrer Forderung allein. Jahrelang wurden ihre Anträge im Bundestag mit den Stimmen aller anderen Parteien abgelehnt. Nun greift die Bundesregierung einen Teil dieses Konzepts auf: Ab dem nächsten Jahr gibt es in Deutschland einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. 3,7 Millionen Menschen werden davon profitieren. Doch Millionen Menschen gehen leer aus. Denn das Gesetz der Bundesregierung kennt viele Ausnahmen.

Die größte Ausnahme bilden Menschen, die als langzeiterwerbslos gelten. Sie haben in den ersten sechs Monaten nach Beschäftigungsbeginn keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Birgit Mankour (48) ist eine von ihnen. Die gelernte Verkäuferin aus Cottbus, die früher auch als Zustellerin und Reinigungsfrau gearbeitet hat, ist seit einigen Jahren erwerbslos. Wenn sie eine neue Arbeit annimmt, ist sie Dumpinglöhnen ausgeliefert. „Und dann wird man nach fünf Monaten wieder gekündigt und durch einen anderen Langzeitarbeitslosen ersetzt“, befürchtet sie. Klaus Ernst, Arbeitsmarktexperte der Fraktion DIE LINKE, teilt diese Kritik: „Die Regierung bietet den Arbeitgebern geradezu an, auf dem Rücken von langzeiterwerbslosen Menschen weiter Lohndumping zu betreiben.“

Die zweite Ausnahme bilden Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Eine 17-Jährige kann somit für den gleichen Schülerjob schlechter bezahlt werden als ihre etwas ältere Freundin. Und auch viele Gebäudereiniger, Leiharbeiterinnen, Beschäftigte in der Fleischindustrie oder in Wäschereien, besonders im Osten des Landes, müssen sich weiterhin mit Niedriglöhnen begnügen.

Insgesamt rund 1,9 Millionen Menschen arbeiten in Branchen, in denen qua Tarifvertrag auch Löhne von weniger als 8,50 Euro gezahlt werden. Weil die Regierung zweijährige Übergangsfristen beschlossen hat, werden viele Menschen dieser Berufsgruppen erst ab dem Jahr 2017 Anspruch auf den allgemeinen Mindestlohn haben.

Weitere Ausnahmen gelten für Praktikantinnen und Praktikanten sowie für Saisonarbeiter und Zeitungsausträger. Letztere sollen den Mindestlohn ebenfalls erst im Jahr 2017 erhalten.

Hinzu kommt: In den nächsten Jahren soll der Mindestlohn bei 8,50 Euro pro Stunde verharren. Eine Erhöhung soll frühestens zum 1. Januar 2017 stattfinden. Doch mit der Teuerungsrate sinkt der Wert des Geldes: In drei Jahren haben 8,50 Euro nur noch eine Kaufkraft von 8 Euro.

In den westeuropäischen Euro-Ländern liegt der Mindestlohn bereits heute deutlich höher (siehe Grafik). Klaus Ernst sagt: „Der gesetzliche Mindestlohn muss für alle Menschen gelten, die arbeiten – ohne Ausnahme. Er muss die Existenz eines Vollzeit arbeitenden Menschen sichern und nach 45 Jahren Arbeit zu einer Rente oberhalb der Grundsicherung im Alter führen.“ Wolle man diese Ziele erreichen, bedürfe es eines Stundenlohns von mindestens 10 Euro. Dafür werde DIE LINKE weiterhin kämpfen.