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Linke Gewerkschafterin mit Hoffnungen und Ambitionen

erschienen in Clara, Ausgabe 4,

Fanny Zeise vermittelt zwischen Linksfraktion und Gewerkschaften und setzt auf Impulse für weitere Annäherung

Die Kontaktstelle Soziale Bewegungen, in der Fanny Zeise für die Fraktion DIE LINKE. arbeitet, ist einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie ist Anlaufstelle für außerparlamentarische Bewegungen, Gewerkschaften, Initiativen und Vereine und zielt darauf ab, gesellschaftlichen Protest parlamentarisch zu unterstützen. Die Kontaktstelle wird geleitet von den Bundestagsabgeordneten Werner Dreibus, Nele Hirsch, Inge Höger und Katja Kipping.

Fanny Zeises Job ist es, Kontakte herzustellen und Dialoge zu initiieren. »Zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit« nennt sie selbst ihre Tätigkeit. Ihre Zielgruppe sind die Gewerkschaften, denen sie die parlamentarische Arbeit der Fraktion zu erläutern versucht. Zugleich bemüht sie sich, einzelnen Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion die Sichtweisen der Gewerkschaftszentralen zu erläutern. Als im letzten Jahr die Einzelgewerkschaften ver.di und NGG einen Mindestlohn von 7,50 Euro, die Fraktion DIE LINKE. aber 8 Euro pro Stunde forderten, berichtete die Presse vor allem über die unterschiedliche Höhe der Forderung. Fanny Zeise hingegen betonte gegenüber der Bundestagsfraktion und Gewerkschaften die Gemeinsamkeit. »Wichtig ist, dass wir zusammen einen gesetzlichen Mindestlohn fordern«, sagt sie.

Mit Corinna Genschel und Pedram Shahyar teilt sich Fanny Zeise ein Zwei-Zimmer-Büro Unter den Linden, vor dessen Fenster die Wachen der US-amerikanischen Botschaft patrouillieren. Während sich Corinna Genschel um Erwerbslosenintiativen, Antifa- und Umweltbewegung kümmert, pflegt Pedram Shahyar im Rahmen eines zeitlich befristeten Projekts den Kontakt zu globalisierungskritischen Bewegungen. Für Gewerkschaften ist alleine Fanny Zeise zuständig. »Wir bauen die Kontaktstelle zu einem wichtigen Instrument der Bundestagsfraktion aus«, sagt Genschel stolz und meint vor allem ihre junge Büropartnerin und sich selbst. »Konflikte können wir meist produktiv auflösen«, berichtet sie, die ihre junge Kollegin als »verantwortungsbewusst, zuverlässig und höflich« beschreibt.

Ihre Arbeit verrichtet Fanny Zeise nicht nur im Büro. Dass sie am 1. Mai an der Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) teilnimmt, ist für sie »eine liebgewonnene Tradition«. Mit einem Becher Kaffee in der Hand wartet sie vor der DGB-Zentrale auf den Beginn der Demo. Ein Emblem des DGB trägt sie nicht. »Gerne würde ich eine Fahne meiner Einzelgewerkschaft tragen«, sagt sie. Sie kennt die meisten Hauptamtlichen der Gewerkschaften, die ihr zum Gruß die Hand reichen und mit ihr plaudern. In diesem Jahr sei ihre Teilnahme allerdings »privat, nicht beruflich«, sagt sie, während sie wippenden Schrittes davoneilt, um Zeitungen der Linksfraktion an die Demonstranten zu verteilt.

Auf der Demo erzählte ihr ein Betriebsratsmitglied von DaimlerChrysler in Berlin, dass die IG Metall am nächsten Tag in Warnstreik treten werde. Am darauffolgenden Morgen stand Fanny Zeise vor dem Betriebstor und verteilte Solidaritätsadressen der Bundestagsfraktion an die Kolleginnen und Kollegen der IG Metall. »Die Menschen freuen sich, wenn ihre Anliegen aufgegriffen werden«, erzählt sie. Dass die Bundestagsfraktion DIE LINKE. die Anliegen der abhängig Beschäftigten ernst nimmt, dazu trägt auch Fanny Zeise bei, etwa indem sie nach ihrem Besuch mehrere Bundestagsabgeordnete über die Stimmung unter den Streikenden informierte.

Entschieden für einen gesetzlichen Mindestlohn

Zu ihren Schwerpunktthemen zählt der gesetzliche Mindestlohn, für den DIE LINKE seit mehr als einem Jahr streitet. Von Beginn an prägte Fanny Zeise die Mindestlohn-Kampagne mit. Die Kooperation von Linkspartei.PDS, WASG und der Linksfraktion erfordert eine akribische Planung. Ein Kollege berichtet von gemeinsamen Sitzungen: »Sie selbst spielt sich nicht in den Vordergrund. Aber wenn es nötig ist, kann sie sehr entschieden sein.«

Als der Mindestlohn-Antrag der Linksfraktion im Juni 2006 im Bundestag behandelt wurde, lud Fanny Zeise Menschen in den Bundestag ein, deren Stundenlohn unterhalb des geforderten Mindestlohns von acht Euro brutto liegt. »Es hat mir imponiert, dass sich diese Menschen öffentlich gewehrt haben«, erzählt sie. Nachdem er mit ihnen diskutiert hatte, bezog sich Oskar Lafontaine in seiner Rede auf die Gäste, die der Debatte von der Zuschauertribüne folgten. Die ARD-Tagesschau berichtete. »Das war ein Erfolg«, erzählt Fanny Zeise, in ihrer Arbeit gehe es schließlich darum, »mit Themen in die Medien zu kommen«.

Ob es auch vorkomme, dass sie als junge Frau nicht ernst genommen werde? Das älteste von vier Kindern überlegt einen Augenblick. Sie strafft ihr Kreuz. »Auch die Gewerkschaften haben gelernt, mit selbstbewussten, jungen Frauen umzugehen, auch wenn das bei Einzelnen etwas länger dauert.« Dem gewerkschaftspolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Werner Dreibus, scheint diese Frage nicht unbekannt, postwendend verweist er auf Fanny Zeises »extreme Kompetenzen«. Sie sei »sehr kommunikationsfähig« und verfüge »trotz ihrer Jugend über ein hohes Maß an politischer Erfahrung.«

Hoffnung auf eine Politisierung der Gewerkschaften

Wenn Fanny Zeise von einer erneuten Politisierung der Gewerkschaften schwärmt, strahlen ihre Augen, ihre Hände greifen Raum: »Die Gewerkschaften können wachsen, wenn sie ihre Daseinsberechtigung deutlich machen. Die drei vor dem Komma reicht nicht aus. Sie müssen sich um die Themen kümmern, die alle Beschäftigten betreffen, also auch Krieg und Frieden, Rassismus, Umweltschutz.« Für Linke seien die Gewerkschaften besonders wichtig, weil sie die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit vor Ort führen. Sie ist sich sicher: »Auch DIE LINKE muss sich in diesem Konflikt grundsätzlich auf die Seite der Beschäftigten stellen.« Möglicherweise meint Werner Dreibus diese Sichtweise, wenn er ihren »klaren gewerkschaftlichen Standpunkt« lobt. Dass sie keinen »Gewerkschafter-Sprech« benutze, aber ein »kluges, sehr politisches Verständnis« von Gewerkschaften« habe, stellt auch Dreibus’ wissenschaftlicher Mitarbeiter, Matthias Hinze, heraus.

Die Nähe zu Gewerkschaften ist ein Leitmotiv im Leben der gebürtigen Düsseldorferin: Ihr Vater ist Betriebsratsmitglied bei einer überregionalen Tageszeitung; ihre Mutter ist Mitglied bei ver.di, der auch Fanny Zeise angehört, seit sie 2001 in einem Call-Center jobbte. »Ich wäre auch als Schülerin Mitglied geworden, wenn ich gewusst hätte, dass das möglich ist«, sagt sie heute. Während ihres Studiums der Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin absolvierte sie mehrere Praktika beim DGB. Sie bereitete die Demonstrationen vom 3. April 2004 mit vor, an der eine halbe Million Menschen teilnahmen, und initiierte ein Netzwerk junger Wissenschaftler und Gewerkschafter. Heiko Glawe, Referent für Wirtschaftspolitik beim DGB Berlin-Brandenburg, erinnert sich an die »gute Zusammenarbeit« mit ihr, die er als eine »engagierte linke Gewerkschafterin« beschreibt. Als Zeise ihre Diplomarbeit über die »Europäisierung von Tarifpolitik« schrieb, schwebte ihr noch ein Job als Gewerkschaftssekretärin vor, am liebsten bei der IG Metall. Dann erreichte sie das Angebot der Linksfraktion, und sie sagte zu. »Diese Wahl habe ich noch nicht bereut«, lacht sie.

Ruben Lehnert