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Kranke Leiharbeitskräfte und arme Erwerbslose

Von Roland Claus, Jan Korte, Jutta Krellmann, Martina Renner, Sabine Zimmermann, erschienen in Clara, Ausgabe 39,

Woche für Woche fühlt die Fraktion DIE LINKE der Bundesregierung mit parlamentarischen Anfragen auf den Zahn. Was die Regierung gerne verheimlicht, kommt so ans Licht. Das ist wichtig für die Betroffenen und für die Öffentlichkeit. Nicht selten sind diese Anfragen auch für Journalistinnen und Journalisten der Stoff, aus dem sie ihre Artikel weben. So auch bei den folgenden Anfragen. 

Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter sind häufiger und länger krank als Normalbeschäftigte. Sie sind auch öfter arbeitsunfähig, haben mehr körperliche Beschwerden und mehr Fehltage. Das musste die Bundesregierung aufgrund einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) zugeben. Die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE hatte nach den gesundheitlichen Auswirkungen von Leiharbeit gefragt.    Dabei ergaben sich weitere brisante Fakten: Antidiabetika und Antidepressiva wurden Leiharbeitskräften im Jahr 2012 in merklich größerem Umfang als regulär Beschäftigten verordnet. Außerdem sind Beschäftigte in Leiharbeit häufiger von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Verletzungen oder psychischen Störungen betroffen.   In der Antwort der Bundesregierung findet sich auch eine Erklärung für die häufigen Erkrankungen von Leiharbeitskräften: „Ursache für erhöhte gesundheitliche Risiken in der Leiharbeit sind darin begründet, dass die Tätigkeit von Beschäftigten in Leiharbeit im Vergleich häufiger körperlich anstrengend und monoton ist, die zudem oft unter ungünstigen Umgebungsbedingungen geleistet werden muss.“    Die Tageszeitung Die Welt berichtete im Dezember 2015 ausführlich über die Antwort auf diese Kleine Anfrage und ließ Jutta Krellmann zu Wort kommen: „Jetzt haben wir es schriftlich: Die Bundesregierung gibt höhere Belastungen in der Leiharbeit selbst zu. Deshalb fordert DIE LINKE unter anderem einen Flexibilitätszuschlag in Höhe von zehn Prozent.“    Finanzielle Sorgen bei Erwerbslosen   Die Geldnöte erwerbsloser Menschen in Deutschland nehmen zu. Das geht aus einer Statistik zur „Materiellen Entbehrung“ hervor, die von Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, vom Statistischen Bundesamt angefordert wurde.   19,1 Prozent der Erwerbslosen, das sind rund 590.000 Personen, hatten hierzulande im Jahr 2014 Probleme, die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen. Das sind 62.000 mehr Menschen als im Vorjahr. 18,4 Prozent (565.000 Personen) konnten die Wohnung nicht angemessen heizen. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 4,9 Prozent.   Unerwartete Ausgabenin Höhe von mindestens 980 Euro aus eigenen Finanzmitteln zu bestreiten, stellte für 84,4 Prozent der Erwerbslosen ein Problem dar. Jeder dritte Erwerbslose (34,6 Prozent) hat aus finanziellen Gründen Schwierigkeiten, jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen.    Im Jahr 2014 waren 30,9 Prozent aller Erwerbslosen in Deutschland von erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Damit ist die Situation erwerbsloser Menschen in Deutschland prekärer als im Durchschnitt der Europäischen Union.   Im Magazin Focus kritisierte Sabine Zimmermann: „Die Absicherung im Fall von Erwerbslosigkeit wird immer brüchiger und schwächer.“ Als Grund für diese Entwicklung nannte sie die Hartz-Reformen. Das „Kleinrechnen des Existenzminimums“ sei ein Skandal, sagte sie. Die Bundesregierung verweigere Erwerbslosen eine angemessene Unterstützung, deshalb schreite deren Verarmung voran.   Die Hälfte der neuen Bufdis kommt aus dem Osten    Ende Dezember 2015 titelten große Tageszeitungen in Deutschland: „Flüchtlinge helfen Flüchtlingen.“ 10.000 neue Stellen seien beim Bundesfreiwilligendienst (BFD) geschaffen worden, die vorrangig von Flüchtlingen besetzt werden sollten. Roland Claus, Ostkoordinator der Fraktion DIE LINKE, hakte mit einer Kleinen Anfrage nach: Wo genau wurden neue Stellen geschaffen, und wer besetzt sie? Die Antwort des Bundesfamilienministeriums überraschte: Am 27. Januar waren 1.225 Jobs eingerichtet, 55 Prozent der neuen Stellen in der Flüchtlingshilfe entstanden im Osten. Claus hat dafür eine Erklärung, die er unter anderem der Mitteldeutschen Zeitung mitteilte: „Bei unattraktiven Dingen müssen oft die Ostdeutschen zugreifen, weil es weniger andere Möglichkeiten gibt. Wenn es um die Verteilung attraktiver Forschungsmittel geht, profitiert hingegen überwiegend der Westen.“ Auch die Zahl der Leih- und Zeitarbeiter sei in den sogenannten neuen Bundesländern doppelt so hoch.   Flüchtlinge als Informanten   Ein echter Coup gelang der Fraktion DIE LINKE Ende Januar: Sie fand mit einer Kleinen Anfrage heraus, dass der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz in den Jahren 2000 bis 2013 an 850 Asylsuchende herangetreten sind, um von ihnen nachrichtendienstliche Informationen abzuschöpfen.    Aufgegriffen wurde diese Nachricht von dem Magazin Der Spiegel und dann in zahlreichen Medien weiterverbreitet. Martina Renner, für DIE LINKE Mitglied im Innenausschuss des Bundestags, sprach mit dem Spiegel: „Wenn Geheimdienste fortgesetzt Flüchtlinge unter Druck setzen, ist das nicht nur moralisch verwerflich, auch der Wahrheitsgehalt der so gewonnenen Informationen muss in Zweifel gezogen werden.“   Von den 850 als Informanten benutzten Flüchtlingen haben 477 nach ihrer Tätigkeit für den deutschen Geheimdienst einen Schutzstatus erhalten, mit dem sie in Deutschland bleiben können, also Asyl oder Flüchtlingsschutz.   Erfolglos gegen Terrorfinanzierung   Seit dem Jahr 1992 wurden zahlreiche Gesetze verabschiedet oder geändert, die Geldwäsche oder die Finanzierung von Terrorismus eindämmen sollen. Dass diese Gesetze größtenteils erfolglos sind, fand Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, mit einer Kleinen Anfrage an das Bundesjustizministerium heraus. In Deutschland sind derzeit lediglich 8.920 Euro eingefroren, die terroristischen Zwecken dienen sollten. Sie stünden allerdings nicht mit dem sogenannten Islamischen Staat, sondern mit al-Qaida in Verbindung. „Der Gesamtbetrag der eingefrorenen Gelder unterlag in den letzten Jahren Schwankungen“, schreibt das Ministerium. „Er lag jedoch nie über 15.000 Euro.“   Unter anderem die Berliner Zeitung sprach ausführlich mit Jan Korte. „Ich fordere endlich eine umfassende und unabhängige Evaluierung dieses europaweiten Terrorfinanzierungsbekämpfungssystems und seine konsequente Entrümpelung“, sagte er. „Angesichts von Gesetzesänderungen und Befugniserweiterungen im Jahrestakt könne von Gesetzeslücken jedenfalls keine Rede sein.“ Er fügte hinzu: „Nach der Antwort reibt man sich verwundert die Augen. Wieso gab es in der Bundesrepublik seit 2009 bislang keine einzige Verurteilung wegen Terrorismusfinanzierung? Ist Deutschland das Land der Glückseligen und führen alle Finanzströme des IS in weitem Bogen um uns herum?“    Auch der Kölner Stadtanzeiger zitiert Jan Korte: „Wenn das Problem der Terrorfinanzierung wirklich so gravierend ist, wie von der Bundesregierung immer wieder behauptet wird, dann taugen entweder die Gesetze nicht zu dem, was sie zu verhindern versprechen – oder es gibt ein gravierendes Vollzugsdefizit.“ „Beides muss umgehend Konsequenzen haben“, betonte der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE.