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„Kolonialisierung mit militärischen Mitteln“

erschienen in Klar, Ausgabe 6,

Interview mit Jürgen Rose

Oberstleutnant Jürgen Rose ist Offizier der Bundeswehr. Er vertritt im Interview nur seine persönlichen Auffassungen.

Sie sind mehrfach in Afghanistan und Pakistan gewesen. Wie beurteilen Sie die militärisch-politische Strategie der Bundesregierung?

Jürgen Rose: Die Vorstellung, man könne uralte islamische Gesellschaften mit militärischer Gewalt in eine Moderne katapultieren, die sich nach den westlichen Vorstellungen von Demokratie, Freiheit, Menschenrechten und Marktwirtschaft zu richten hat, ist nicht nur illusionär, sondern verbrecherisch. Noch dazu, wenn man berücksichtigt, dass es sich hierbei keineswegs um ein philanthropisches Unternehmen handelt, sondern dass es um die ökonomische Kolonialisierung des Planeten mit militärischen Gewaltmittel geht - Globalisierung mit vorgehaltenem Colt sozusagen. Jeder Mensch mit gesundem Verstand weiß, dass solch militärisches Abenteuer nur in der Katastrophe enden kann.

Die Bundesregierung behauptet, die Bundeswehr leiste im Norden Afghanistans lediglich militärischen Schutz der zivilen Aufbauhilfe.

Rose: Anfänglich klang die Idee, dass der zivile Wiederaufbau unter einem militärischen Schutzschirm stattfinden sollte, ganz plausibel. Auch in den Augen der dort tätigen Hilfsorganisationen. Mittlerweile distanzieren diese sich aber immer mehr von den Besatzungstruppen, weil sie die Gefahr sehen, durch die militärische Begleitung selbst immer mehr ins Fadenkreuz des -afghanischen Widerstandes zu rücken.

Neben den ISAF-Truppen kämpfen OEF-Truppen im Süden und Osten des Landes. Handelt es sich dabei tatsächlich um unterschiedliche Missionen?

Rose: Äußerst aufschlussreich ist die Argumentation von offizieller Seite: Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wurde zum Zwecke der Legitimation der deutschen Beteiligung an ISAF und OEF stets argumentiert, die beiden Missionen würden immer weiter miteinander verschmelzen, wofür angeblich auch der UNO-Sicherheitsrat plädiere. Nachdem Karlsruhe die Bundesregierung jetzt kategorisch dazu aufgefordert hat, auf die strikte Trennung beider Missionen zu achten, wird behauptet, ISAF und OEF hätten noch nie etwas miteinander zu tun gehabt und dies bliebe auch weiterhin so. Was von dieser Orwell’schen Sprachpraxis zu halten ist, mag jeder selbst entscheiden.