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Juristisch geboten

erschienen in Klar, Ausgabe 26,

Professor Andreas Fisahn, Jurist und Prozessbevollmächtigter der LINKEN, im Gespräch

Warum sehen Sie die Klage der LINKEN aus juristischen Gründen als gerechtfertigt an?
Wir wollen das Grundgesetz schützen. Denn ESM und Fiskalpakt bedeuten letztlich: Der Haushalt der Bundesrepublik wird nicht mehr vom Bundestag bestimmt, sondern von der Europäischen Kommission. Darum geht es Merkel und Co beim Fiskalpakt: Die Staaten geben die Hoheit über ihre Haushalte ab. Das ist mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar, denn die Bevölkerung wählt den Bundestag, der wiederum über den Haushalt entscheidet – das ist ein zentrales Recht des Parlaments. Die Stimmen der Bevölkerung werden entwertet. Man sagt: Ihr könnt wählen, wen ihr wollt – am Ende entscheidet immer die Kommission.

Und der ESM?
Der ESM wiederum ist das Lockmittel. Hilfen gibt es nur, wenn die Sparmaßnahmen des Fiskalpakts umgesetzt werden. Das verfassungsrechtliche Problem aber liegt dort, wo Risiken durch die Bundesrepublik eingegangen werden, die kaum kalkulierbar sind. Es wird mit dem Steuergeld der Leute gespielt, und niemand weiß, wie viel Deutschland am Ende zahlen muss. Auch die Bundestagsabgeordneten, die dafür gestimmt haben, wissen es nicht. Die Bundesregierung sagt, unser Höchstrisiko liege bei 190 Milliarden Euro. Wir sagen, es liegt bei 2 Billionen Euro.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bis zum 12. September 2012 Zeit für eine Entscheidung erbeten. Wie deuten Sie das?
Die Lage ist kompliziert, weil das Gericht Angst hat, eine einstweilige Anordnung gegen den Bundespräsidenten könnte Schlagzeilen machen wie: »BVerfG stoppt den Euro.« Umgekehrt sind unsere Argumente so gut, dass die Gesetze nicht mal so eben durchgewinkt werden können. Das muss länger beraten werden.

Manche befürchten bei einem Erfolg der Klage den Stopp der Eurorettung und werfen der LINKEN vor, den Euro zu gefährden. Was antworten Sie darauf?
Das ist natürlich Unsinn. Das drohende Kürzungsdiktat, also der Fiskalpakt, der Voraussetzung für Hilfen aus dem ESM ist, verschärft die Krise in den Ländern. DIE LINKE will den Euro dort retten, wo die anderen gerade seiner Zerstörung zusehen und sie auch beschleunigen.