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In Bitterfeld auf den Geschmack gekommen

Von Jan Korte, erschienen in Clara, Ausgabe 21,

Kleinunternehmer in den neuen Bundesländern brauchen finanzielle Starthilfe. Nur wenige Betriebe haben nach der Wiedervereinigung ohne Unterstützung den Sprung in die schwarzen Zahlen geschafft. Einer davon: die Bitterfelder Brauerei.

Jan Korte – direkt gewählter Abgeordneter der Bundestagsfraktion DIE LINKE – war in den letzten Wochen in seinem Wahlkreis in Sachsen-Anhalt unterwegs, hatte Gespräche und Begegnungen mit Geschäftsführern von kleinen Unternehmen. Dazu gehörte auch die traditionsreiche Brauerei in Bitterfeld. Seit 1880 wurde dort Bier gebraut. Doch ein Jahr nach der Wiedervereinigung war damit zunächst einmal Schluss. Die Brauerei machte Pleite. Aus und vorbei für eine Marke aus Bitterfeld. Als Harald Eisenmann im Jahr 2009 dann eine neue Brauerei gründete, kostete ihn das sehr viel Mut. Der Geschäftsführer bekam keine Mikrokredite von den Banken und musste den Aufbau aus eigener Kraft schaffen. Er brauchte mehrere Hunderttausend Euro und musste selbst zusehen, wie er die Investitionen zusammenbekam.

Vor zwanzig Jahren war die wirtschaftliche Lage in Bitterfeld anders. Durch die chemische Industrie gehörte die Region zu den wirtschaftlichen Zentren in Ostdeutschland. Mit dem Zusammenbruch der DDR verschwand die Industrie, Tausende verloren ihre Arbeit. Die bittere Pille, plötzlich in wirtschaftlichem Brachland zu leben, mussten viele Menschen schlucken. Nur der Bayer-Konzern eröffnete nach 1990 ein Werk. Ironie des Schicksals: Dort werden bis heute Kopfschmerztabletten produziert.

Inzwischen gibt es in Sachsen-Anhalt über 40 000 Betriebe, in denen nur ein bis fünf Beschäftigte arbeiten. Kleine Unternehmen erbringen fast 70 Prozent der Wirtschaftskraft. Dabei wird es gerade diesen Kleinbetrieben schwer gemacht, konkurrenzfähig zu starten. Trotz einer hohen Anzahl von Existenzgründerinnen und Existenzgründern vergeben die Geldinstitute in Sachsen-Anhalt kaum Kleinstkredite. Der sachsen-anhaltische Bundestagsabgeordnete Jan Korte sagt: »In meinem Wahlkreis bekomme ich es immer wieder mit, wie schwierig es für Unternehmen ist, kleine Kredite zu bekommen. Dabei stünden gerade die öffentlichen Sparkassen in der Pflicht, die Gründung und Weiterentwicklung nachhaltiger, selbständiger Existenzen zu fördern.« Mehrfach hatten er und andere Abgeordnete der LINKEN im Parlament in Anträgen und Anfragen darauf hingewiesen, den Osten nach wie vor besonders zu fördern.

 Harald Eisenmann hätte als Brauereigründer gern von solchen Kleinkrediten für sein Unternehmen profitiert. Nun hofft er, dass andere Gründer von Kleinunternehmen bessere finanzielle Startbedingungen erhalten und so Arbeitsplätze schaffen. Geschäftsführer Eisenmann begann in Bitterfeld vor zwei Jahren mit einem Mitarbeiter und einem Volumen von nur wenigen Hektolitern gebrautem Bier im Jahr. In diesem Jahr sind es fünf Beschäftigte und über 1000 Hektoliter.

Eine dieser Mitarbeiterinnen ist Jacqueline Christ. Sie ist die Braumeisterin im Betrieb, die jüngste ihrer Zunft in Sachsen-Anhalt und eine der wenigen Frauen in diesem Beruf. Die 28-Jährige stammt aus Bitterfeld und machte an der Technischen Universität Berlin ihren Braumeisterabschluss mit Diplom. »Dass ich dann in meiner Heimatstadt diesen Job bekam, war geil«, sagt sie ganz salopp und verweist auf den stetig steigenden Umsatz. Ihre Aufgabe ist es, den Brauprozess für normales Bier zu überwachen, aber auch für das leckere Weihnachtsbier »Bitterfelder Dunkel«. Im vergangenen Jahr dann, zum 130-jährigen Bitterfelder Braujubiläum, schäumte ein neues Bier aus dem Traditionshaus in die Gläser: das kräftige »Bitterfelder Bernsteinbier«. Duft und Geschmack bestimmte die junge Braumeisterin.