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Ihr gutes Recht

Von Wolfgang Neskovic, erschienen in Clara, Ausgabe 21,

Wolfgang Nešković, Justiziar der Fraktion DIE LINKE und Richter am Bundesgerichtshof a.D., kommentiert in jeder Ausgabe der clara aktuelle Urteile.

Alleinerziehende müssen in der Regel Vollzeit arbeiten
Der Bundesgerichtshof geht in seiner Entscheidung vom 2. August 2011 (XII ZR 94/09) davon aus, dass Alleinerziehende in der Regel voll arbeiten müssen, sobald das Kind drei Jahre alt ist. Ein Mann hatte seine geschiedene Ehefrau verklagt, weil sie nur halbtags arbeitete und er zusätzlichen Unterhalt für seine Tochter zahlen musste. Die Frau muss nun darlegen, warum ihr kein Vollzeitjob zuzumuten ist und das Kind am Nachmittag von ihr persönlich betreut werden muss. Gelingt ihr dies nicht, muss sie mit Schulkind genauso arbeiten, wie ihr Exmann ohne Betreuungspflicht.

 

Kündigung einer Altenpflegerin wegen Strafanzeige verstößt gegen Meinungsfreiheit
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Rücken gestärkt, die Missstände im Betrieb öffentlich machen (EGMR, Heinisch vs. Deutschland, Nr. 28274/08). Der EGMR entschied am 21. Juli 2011, dass einer Altenpflegerin selbst dann nicht ohne Weiteres gekündigt werden darf, wenn sie Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber gestellt hat und sich die Anschuldigungen nicht vollständig belegen lassen. In einer demokratischen Gesellschaft sei das öffentliche Interesse an Informationen über Mängel in staatlichen Unternehmen so wichtig, dass es gegenüber den Geschäftsinteressen des Arbeitgebers, hier der Vivantes GmbH, überwiege. Damit bewertete das europäische Gericht den Fall anders als das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Die Betroffene kann eine Wiederaufnahme vor deutschen Gerichten erreichen.

 

Zu den Verjährungsfristen der Ersatzansprüche von Mieterinnen und Mietern bei Schönheitsreparaturen
Mieterinnen und Mieter, die aufgrund einer unwirksamen Mietvertragsklausel Schönheitsreparaturen durchführen, können Ersatzansprüche nur binnen sechs Monaten ab Beendigung des Mietverhältnisses geltend machen. Der Bundesgerichtshof nahm am 4. Mai 2011 (VIII ZR 195/10) für solche Fälle die verkürzte Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB an. Ob die Mieterinnen und Mieter von der Unwirksamkeit der Klausel unter Umständen erst später erfahren, ist unbeachtlich.

 

Bei Elternzeit darf Urlaubsanspruch nur um volle Kalendermonate gekürzt werden
Das Bundessozialgericht hat am 17. Mai 2011 einem Arbeitnehmer Recht gegeben, der insgesamt zwei Monate in Elternzeit verbrachte, aber seinen Jahresurlaubsanspruch um lediglich ein Zwölftel gekürzt einforderte (9 AZR 197/10). Das Gericht entschied, der Anspruch auf Erholungsurlaub dürfe nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG nur um volle Kalendermonate Elternzeit gekürzt werden. Dem Betroffenen durfte bloß für den Kalendermonat, den er vom ersten bis letzten Tag in Elternzeit verbracht hatte, der Urlaubsanspruch abgezogen werden.

 

Mehr Betriebsrente für Mütter im öffentlichen Dienst
Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst, die vor 1990 Kinder bekommen haben, können mit mehr Betriebsrente rechnen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 28. April 2011 (1 BvR 1409/10) eine anderslautende Regelung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wegen des Diskriminierungsverbots für unwirksam. Die betriebliche Zusatzversorgung für Frauen im öffentlichen Dienst, die vor 1990 im Mutterschutz waren, ist nun derart verbessert, dass die Mutterschutzzeiten nachträglich angerechnet werden.