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Ihr gutes Recht

Von Wolfgang Neskovic, erschienen in Clara, Ausgabe 19,

Wolfgang Neskovic, Justiziar der Fraktion DIE LINKE und Richter am Bundesgerichtshof a.D., kommentiert in jeder Ausgabe der clara aktuelle Urteile.

Jobcenter müssen PKV-Beiträge in voller Höhe übernehmen
Privat Krankenversicherte werden seit 2009 nicht mehr automatisch Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, sobald sie Leistungen nach dem SGB II beziehen. Das Bundessozialgericht hat nun entschieden, dass das Jobcenter verpflichtet ist, den vollen Betrag, den Privatversicherte zu entrichten haben, zu übernehmen (Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 108/10 R). Andernfalls wäre das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum privatversicherter Leistungsempfänger betroffen.


Keine Berücksichtigung von Streikgeld, Krankengeld oder Arbeitslosengeld zur Berechnung des Elterngeldes
Die Höhe des Elterngeldes bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz nach dem durchschnittlichen Einkommen der letzten 12 Monate vor der Geburt des Kindes. Monate, in denen kein Einkommen erzielt wird, führen grundsätzlich zu einer Minderung des Durchschnittseinkommens. Streik-, Kranken- oder Arbeitslosengeld werden vom Bundessozialgericht nicht als Einkommen angesehen (Urteile vom 17. Februar 2011 – AZ. B 10 EG 17/09 R, B 10 EG 20/09 R und B 10 EG 21/09 R). Sie mindern daher das Durchschnittseinkommen und somit auch das Elterngeld.
 

Versammlungsfreiheit gilt auch im Frankfurter Flughafen
Das hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 22. Februar 2011 (AZ. 1 BvR 699/06) entschieden. Nicht nur im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, seien unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Auch von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterlägen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung. Dabei liege eine Beherrschung in der Regel vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Das hat beispielsweise zur Folge, dass das Hausrecht nicht uneingeschränkt ausgeübt werden kann, sondern sich am Maßstab der Grundrechte und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes messen lassen muss. Das führt dazu, dass die Untersagung jeglicher Versammlungen in allen Bereichen des Flughafens unzulässig ist. Sie stellt ein verfassungsrechtlich unzulässiges generelles Demonstrationsverbot dar. Ein Demonstrationsverbot ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn es um die Abwehr einer konkret drohenden Gefahr für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Flughafenbetriebs ginge

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Schönheitsreparaturen bei Auszug – keine Eingrenzung auf die Farbe Weiß
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (AZ. VIII ZR 198/10) entschieden, dass mietvertragliche Klauseln (Formularvertrag) unwirksam sind, in denen der Mieter bei Auszug verpflichtet wird, die Räume in einer bestimmten Farbe (regelmäßig weiß) zu streichen.


Keine Handy-Sperrung bei Zahlungsverzug in Höhe von 15,50 Euro
Der Bundesgerichtshof hat eine Handyvertragsklausel für unwirksam erklärt, wonach ein Mobilfunkunternehmen schon bei einem Verzug in Höhe von 15,50 Euro einen Handyanschluss sperren kann (Urteil vom 17. Februar 2011 – III ZR 35/10). Bei einem solch niedrigen Betrag sei nicht ausgeschlossen, dass nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil der Gegenleistung noch offenstehe. Davon könne erst bei einem Zahlungsverzug von 75 Euro ausgegangen werden, wie dies § 45k TKG für das Festnetz vorsieht.