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Ihr gutes Recht

Von Wolfgang Neskovic, erschienen in Clara, Ausgabe 25,

Wolfgang Neskovic, Justiziar der Fraktion DIE LINKE und Richter am
Bundesgerichtshof a. D., kommentiert in jeder Ausgabe der clara aktuelle Urteile.

Existenzminimum auch für Flüchtlinge

Das Bundesverfassungsgericht hat die Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für verfassungswidrig erklärt und bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Übergangsregelung angeordnet, die sich an dem Regelsatzbedarfsermittlungsgesetz orientiert (Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10). Anders als noch in seinem Regelsatzurteil, wo es nur das Bemessungsverfahren gerügt hatte, erklärt es hier die Geldleistungen auch für evident unzureichend. Dies zeige sich zum einen daran, dass sie seit dem Jahr 1993 — trotz einer Preissteigerung um mehr als 30 Prozent — nicht erhöht worden seien; zum anderen daran, dass beispielsweise ein Haushaltsvorstand nach dem AsylbLG 1/3 weniger bekäme als einer nach dem allgemeinen Fürsorgerecht. Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass das Existenzminimum als Menschenrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in Deutschland aufhielten, gleichermaßen zustehe. Insbesondere rechtfertige eine kurze Aufenthaltsdauer nicht die Beschränkung auf die bloß physische Existenzsicherung. Auch sei die Menschenwürde nicht durch migrationspolitische Erwägungen relativierbar.

Kettenbefristungen nur ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann bei andauerndem Vertretungsbedarf die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrags sachlich gerechtfertigt sein. Der Arbeitgeber müsse in einem solchen Fall nicht etwa eine unbefristete Stelle schaffen. Das Bundesarbeitsgericht hat nach einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun aber entschieden, dass sich aus der Kettenbefristung Hinweise für einen Rechtsmissbrauch ergeben könnten (Urteil vom 18. Juli 2012 — 7 AZR 443/09, 7 AZR 783/10). Dabei sei auch auf die Gesamtdauer und Anzahl der befristeten Verträge abzustellen. Die Anforderungen sind allerdings sehr hoch. So sprächen eine Gesamtdauer von über elf Jahren und 13 Befristungen für einen Missbrauch, nicht jedoch eine Gesamtdauer von sieben Jahren und vier Befristungen.

Keine erhöhten Vorauszahlungen bei fehlerhafter Betriebskostenabrechnung

Ein Vermieter darf die Vorauszahlungen nicht erhöhen, wenn die zugrundeliegende Betriebskostenabrechnung inhaltliche Fehler aufweist (Bundesgerichtshof [BGH], Urteile vom 15. Mai 2012 — VIII ZR 245/11, VIII ZR 246/11). Der BGH gibt damit seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach für eine Anpassung der Vorauszahlungen eine formell ordnungsgemäße Abrechnung genügte. Damit können Vermieter ihren Mietern nicht mehr kündigen, wenn diese die erhöhten Abschläge aufgrund fehlerhafter Abrechnungen nicht zahlen.

Vorsicht bei Zweifeln über Mängel

Mindern Mieter die Miete und wird später festgestellt, dass ein Mangel nicht vorlag, ist eine Kündigung wegen Mietrückstands rechtmäßig, wenn den Mietern Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Nach Auffassung des BGH war dies vorliegend der Fall. Die Mieter hatten die Miete wegen Schimmelbildung gemindert, obwohl sich ihnen hätte aufdrängen müssen, dass die erhöhte Luftfeuchtigkeit aufgrund ihrer Aquarien und Terrarien dafür ursächlich war und nicht bauliche Mängel (Urteil vom 11. Juli 2012 — VIII ZR 138/11). Mieter sollten sich daher bei Zweifeln über einen Mangel beraten lassen, bevor sie die Miete mindern.