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Hoffnung für Europa

erschienen in Klar, Ausgabe 35,

Am 25. Januar 2015 schrieb die griechische Bevölkerung Geschichte. Bei den nationalen Wahlen triumphierte die linke Partei Syriza. Bis tief in die Nacht feierten die Menschen auf dem Universitätsplatz in Athen.    Wenige Tage später wird Syrizas Spitzenkandidat Alexis Tsipras zum Ministerpräsidenten gewählt. »Einen Glücksfall für Europa« nennt ihn Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. Endlich müsse auf europäischer Ebene wieder über eine Wende in der Politik diskutiert werden.    Vor dem neuen Ministerpräsidenten liegt eine Herkulesaufgabe. Bereits vor fünf Jahren war Griechenland überschuldet. Doch anstatt Banken, Versicherungen und Hedgefonds, die für Kredite an das Land jahrelang hohe Zinsen kassiert hatten, für die Staatspleite bluten zu lassen, entwickelten Kanzlerin Merkel (CDU) und andere europäische Spitzenpolitiker einen teuflischen Plan: Sie schufen die Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank, die mit der damaligen griechischen Regierung wahnsinnige Kreditverträge schloss.   Infolge dieser Verträge bekamen Banken und private Gläubiger zunächst ihre Kredite mit öffentlichen Geldern zurückgezahlt (siehe Grafik). Jetzt haften in Höhe von über 60 Milliarden Euro die deutschen Steuerzahlerinnen und -zahler. Gleichzeitig bestand die Troika in Griechenland auf drastischen Kürzungen bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen. Seit dem Jahr 2009 ist die Wirtschaft um mehr als ein Viertel geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit hat sich in wenigen Jahren vervierfacht. Jeder zweite Jugendliche bis 25 Jahre ist arbeitslos. Dadurch sinkt die Fähigkeit Griechenlands, die Kredite eines Tages zurückzahlen zu können.  Tsipras muss nun die humanitäre Katastrophe – Armut, Obdachlosigkeit, Hunger – abwenden und trotz der Erpressungspo-litik der Troika einen Weg aus wirtschaftlicher Katastrophe und Überschuldung finden.    Doch die Widerstände sind gewaltig. Angeführt von der deutschen Regierung torpediert die Troika bisher einen Kurswechsel in Athen. Kanzlerin Merkel & Co. pochen darauf, dass die mit der alten Regierung geschlossenen Bedingun-gen auch für die neue gelten müssen. Geld soll es nur geben, wenn harte Vorgaben befolgt werden.   Die herrschende Politik in Berlin und Brüssel scheint zu befürchten, dass die neue Politik der griechischen Regierung auch von anderen Ländern aufgegriffen wird. In Rom demonstrierten jüngst knapp 100.000 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen die Arbeitsmarktreformen der italienischen Regierung; in Madrid rebellierten vor Kurzem Zehntausende vornehmlich junge Menschen gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Spanien. Organisiert hatte die Proteste die linke Partei Podemos (deutsch: Wir können). Sie kann bei den nächsten Wahlen stärkste Kraft werden.    Pablo Iglesias, Spitzenkandidat von Podemos, ist wie Tsipras ein erbitterter Gegner der Troika und ihrer Kürzungsdiktate. Er kündigt an: »Das ist das Jahr des Wandels, nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa.« In Spanien wird im November gewählt. Möglich, dass dann auch die spanische Bevölkerung Geschichte schreibt.