Zum Hauptinhalt springen

Griechisches Nein zum Kürzungsdiktat der Ex-Troika

erschienen in Klar, Ausgabe 36,

Anfang Juli stimmte zum ersten Mal das Volk eines europäischen Staates über die Politik der Institutionen ab. Dass das Ergebnis so eindeutig ausfiel, hat viele Gründe.

In den vergangenen fünf Jahren wurde die griechische Gesellschaft durch das Kürzungsdiktat der Institutionen (Europäische Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds und EU-Kommission) so in Mitleidenschaft gezogen, wie man es vorher nur in Kriegszeiten kannte: Ein Viertel der Wirtschaftsleistung wurde zerstört, die Jugendarbeitslosigkeit stieg auf über 50 Prozent (siehe Grafiken unten).

Ende Januar zeigte die griechische Bevölkerung diesem Wahnsinn das Stoppschild – und wählte die linke Partei Syriza in die Regierung. Es folgten fünfmonatige, nervenaufreibende Verhandlungen mit den Institutionen, früher Troika genannt, über die Zukunft des Landes. Doch für die Gläubiger stand ein Ende der Lohn- und Rentenkürzungen nie zur Debatte. Ihr einziges Ziel war der Regimewechsel in Griechenland: Durch ein Scheitern der neuen Regierung sollte der Bevölkerung in ganz Europa deutlich gemacht werden, dass in einer »marktkonformen Demokratie« (Angela Merkel) neoliberale Politik nicht abgewählt werden kann.

Wenige Tage vor dem Auslaufen des zweiten Programms für Griechenland am 30. Juni legten die Institutionen ein vergiftetes Angebot vor, verbunden mit einem 48-stündigen Ultimatum. So sollte die griechische Regierung gezwungen werden, fast alle ihre Wahlversprechen aufzugeben.

Bei Annahme des Vorschlags wären alle von ihr formulierten roten Linien überschritten gewesen, etwa niedrige Primärüberschüsse, keine weiteren Lohn- und Rentenkürzungen, ein starkes Investitionsprogramm und eine Umstrukturierung der Schulden. Stattdessen hätte sie unter anderem die Mehrwertsteuer, auch für Lebensmittel, stark erhöhen und die Renten erheblich kürzen müssen. Der wirtschaftliche Niedergang und damit auch die humanitäre Katastrophe in Griechenland wären weitergegangen.

Statt sich dem Diktat der Gläubiger zu unterwerfen, brachte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Referendum auf den Weg: Das griechische Volks sollte selbst entscheiden. Ebenso wie die griechische Regierung plädierten namhafte Ökonomen wie Joseph E. Stiglitz für ein »Nein«.

Dem schloss sich eine deutliche Mehrheit von mehr als 61 Prozent der Griechinnen und Griechen an: Sie stimmten für Demokratie anstatt für erneute wirtschaftliche und soziale Strangulierung.

Noch in der Woche vor der Abstimmung hatten die Institutionen ein Klima der Angst zu schüren versucht, um das »Nein« zu verhindern. Die EZB gab den griechischen Banken keine neue Liquidität. Die Banken mussten schließen, die Geldautomaten gaben nur limitierte Beträge aus, Rentnerinnen und Rentner ohne Geldkarten mussten vor Sonderschaltern Schlange stehen.

Doch die griechische Bevölkerung hat sich nicht erpressen lassen – eine Entscheidung, die auch im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den Geberländern ist. Denn jetzt besteht die Hoffnung, dass nicht erneut viele Milliarden Euro benutzt werden, um sinnlos Tilgungen und Zinsen eines überschuldeten Landes zu bedienen, anstatt damit Maßnahmen für Wachstum und Wohlstand zu finanzieren.