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Glückwunsch, Kollege!

erschienen in Clara, Ausgabe 2,

Als ich die Mail bekam: Helmuth Markov ist Präsident des Ausschusses für internationalen Handel im Europäischen Parlament kurz: INTA, glich das durchaus einer kleinen Sensation. Zunächst dachte ich: Der arme Helmuth. Aber dann fiel mir auch schnell ein: Das wird doch bestimmt Klasse. Gerade weil ich Fragen der Internationalen Handelspolitik hier im Bundestag diskutiere, die ja das Leben der Menschen in der Bundesrepublik, in Indien oder in Südafrika unmittelbar betreffen, ist sein Vorsitz eine direkte Unterstützung auch für meine Arbeit.

Es ist immerhin die Linkspartei.PDS, die Helmuth Markov seit 1999 im Europaparlament vertritt. Und er ist jemand, der dem EU-Handelskommissar Peter Mandelson immer wieder vorhält, dass dessen Freihandelsdoktrin mit fairer Handelspolitik überhaupt nichts zu tun hat.

Markov ist gelernter Buchhändler und promovierter Ingenieur, hat in verschiedensten Ländern der Welt Industrieanlagen in Betrieb genommen, deren Entwicklung er geleitet hat. Nach der Wende machte er sich selbständig und war gleichzeitig einige Jahre Mitglied des Landtages Brandenburg. Vom Handel, Verhandeln und Leiten versteht der Mann etwas. Als Vorsitzender des Außenhandelsausschusses muss er das auch: 33 Mitglieder aus acht verschiedenen Fraktionen sollen sich zu so kontroversen Themen wie Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Freihandelsverträge, Wege zur Armutsbekämpfung, Patentrechte für Medizin oder Computersoftware, Energieaußenpolitik, Finanzhilfen für Nachbarländer, Ein- und Ausfuhr gefährlicher Chemikalien einigen. Der Ausschuss befasst sich mit den EU-Handelsbeziehungen mit Drittländern sowie mit internationalen Verhandlungen über technische Standardisierung. Er ist zuständig für die Beziehungen der EU zu internationalen Organisationen im Bereich wirtschaftlicher Zusammenarbeit sowie zur Welthandelsorganisation, einschließlich deren parlamentarischer Versammlung.

Im Bereich der internationalen Handelsbeziehungen gibt es aber fundamentale politische Unterschiede zwischen den Parlamentsfraktionen: Die konservative Mehrheit unterstützt die Freihandelsphilosophie der EU Kommission, die auf weitestgehenden, möglichst gleichzeitigen Abbau jeglicher Regulierung setzt.

DIE LINKE. dagegen steht für fairen Handel, Transparenz und eine Welthandelsordnung, die Sozial- und Umweltstandards ebenso einbezieht wie die unterschiedlichen Ausgangspositionen der internationalen Handelspartner. Diese Forderungen bringen die Abgeordneten der Linksfraktion immer wieder in die Debatte ein. Sie sind für ihre qualifizierten Beiträge durchaus von politischen Konkurrenten anerkannt - sonst würde kaum einer von ihnen als Vorsitzender des Handelsauschusses akzeptiert werden. Bei aller Leitungsverantwortung, die Neutralität im Sinne von Gleichbehandlung aller Ausschussmitglieder und bei der Vertretung der Parlamentsposition nach außen erfordert, wird sich Helmuth Markov auch weiterhin in den politischen Auseinandersetzungen mit seiner Meinung zu Wort melden. Dazu gehört z. B. die Forderung, die Positionen von sozialen Bewegungen, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus sehr unterschiedlich entwickelten Volkswirtschaften anzuhören und in Denkprozesse einzubeziehen - Was bedeutet es für welche Teile der Bevölkerung in welchem Land, wenn Handelsschranken fallen? Muss nicht, wer über GATS (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) reden will, auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus armen in reiche Länder mit thematisieren? Andere Fragen betreffen die konkrete Politik der EU: Wenn sie an einem akzeptablen Ergebnis der aktuellen WTO-Runde interessiert ist, muss sie ein neues Angebot vorlegen, das u. a. den unmittelbaren Abbau von Agrarexportsubventionen und die Minimierung von interner Stützung in der EU beinhaltet. Wie kann der Einfluss der demokratisch gewählten Vertreter der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union auf die Formulierung der Verhandlungsmandate der Kommission erhöht werden, die immerhin für alle EU-Mitgliedstaaten in den internationalen Handelsbeziehungen agiert? Dies und mehr sind und bleiben Helmuths Themen.

Wie ich ihn kenne, weiß ich, dass er hier als ›Präsident‹ andere Schwerpunkte setzen wird: Erstmal werden sich die Industrielobbyisten an ihm sicher die Zähne ausbeißen, und ich bin mir sicher, dass er für mehr Transparenz, für den Zugang zu Dokumenten, für eine bessere Zusammenarbeit mit kritischen Nicht-Regierungsorganisationen und insgesamt für einen Kurswechsel in der internationalen Handelspolitik eintreten wird. Von daher denke ich jetzt nicht mehr: Armer Helmuth, sondern: Los Helmuth, ich freue mich auf die Zusammenarbeit!