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Gemeinsam das Erfolgsmodell fortsetzen

Von Susanna Karawanskij, Alexander S. Neu, erschienen in Clara, Ausgabe 33,

Alexander Neu und Susanna Karawanskij sind zwei der elf Mitglieder der Fraktion DIE LINKE, die erstmals im Deutschen Bundestag wirken.

Ganz in Schwarz gekleidet und sichtlich aufgeregt tritt Susanna Karawanskij (34) Mitte März 2014 ans Rednerpult. Ein halbes Jahr gehört sie jetzt zur Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Es wird ihre rhetorische Premiere im größten deutschen Parlament.    Die sächsische Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE kommt bei ihrem Sechs-Minuten-Auftritt schnell zur Sache. Es gebe zu viel Finanzschrott auf den Märkten und die Regierung unternehme nichts dagegen. Die PROKON-Pleite mit dem Verlust von über einer Milliarde Euro für die Anlegerinnen und Anleger sei ein gutes Beispiel dafür, dass es zu wenige Kontrollmechanismen auf dem Finanzmarkt gebe. „Wir müssen den Grauen Kapitalmarkt durchgreifend regulieren“, ruft die Politikwissenschaftlerin ins spärlich besetzte Plenum. „Schützen Sie die Verbraucherinnen und Verbraucher vor windigen und unseriösen Anbietern!“ Susanna Karawanskij blickt dabei auf die meist leeren Plätze der Regierung Merkel. Bundestagsvizepräsident Peter Hintze leitet die Aussprache. Er lächelt, gratuliert und wünscht der Abgeordneten nach ihrem Rededebüt eine interessante parlamentarische Zeit.   Kleine Tests in den ersten Wochen   „Das war aufregend. Ich musste mich in den ersten Wochen als Bundestagsabgeordnete bis zu meiner Rede an diesen Alltag gewöhnen. Angenehm ist die professionelle Arbeitsweise der Bundestagsverwaltung. Das macht es Neulingen wie mir auch leichter, sich in die Details unserer parlamentarischen Arbeit hineinzufinden“, sagt Karawanskij. Die Sitzungsatmosphäre habe schon einschüchternde Wirkung. Inzwischen sei sie deutlich weniger aufgeregt, genieße die Arbeit im Finanzausschuss. Die „Neulinge“ würden ja in den ersten Wochen genauer beäugt, mit kleinen Tests und Fragen werde auf ihre Reaktionen gewartet. „Der Politikersprech ist manchmal schon komisch und gewöhnungsbedürftig. Wenn man bei einer Anhörung eine Frage stellen möchte, muss man sich wirklich absolut genau überlegen, was und wie man fragt. Das muss sitzen, sonst bekommt man von den politischen Konkurrenten gleich entsprechend Kontra.“    Es habe ihr sehr geholfen, dass der Abgeordnete Axel Troost ihr als Mentor in den ersten Monaten zur Seite stand. Durch seine Erfahrung, der Finanzexperte ist bereits in der dritten Legislaturperiode für die Fraktion DIE LINKE dabei, konnte sie sich schnell zurechtfinden. Die erste Fraktionssitzung glich einem Rausch. „Es war so viel Neues und wie bei einer Einschulung ein vollgepackter Tag, den ich erst mal verdauen musste. Wenn ich aber jetzt immer spüre, dass wir Linken im Bundestag gut vertreten sind und einen Teil der jüngeren deutschen Geschichte mit schreiben, dann motiviert mich das ungemein“, sagt Susanna Karawanskij. Zu Beginn habe sie erst einmal vieles nur beobachtet und sich selten zu Wort gemeldet. „Hier gibt es viele alte Hasen und professionelle Leute. Da kann man im politischen Streit nur gut vorbereitet bestehen.“   Wenn die in Leipzig-Grünau aufgewachsene Abgeordnete aus der „Bananenrepublik“, so wird der Kreis Nordsachsen wegen seiner geografisch geformten Fläche genannt, auf ihr erstes Jahr im Bundestag zurückblickt, lächelt sie. „Es war die richtige Entscheidung, nach Berlin zu gehen, und bislang eine spannende Zeit. Ich verstehe mich als Team-Playerin und möchte weiter Menschen meines Wahlkreises vertreten, die über keine starke Lobby verfügen.“   Erst Referent, jetzt Abgeordneter   Alexander Neu (45) erlebt die ersten Tage als Abgeordneter anders. Gelassener, unaufgeregter und mit einem Erfahrungsschatz als Referent der Bundestagsfraktion. Bis zu seiner Wahl als Kandidat aus Köln für das Hohe Haus in Berlin arbeitete Neu mit dem damaligen verteidigungspolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Paul Schäfer, zusammen. Da war ein Abgeordneter sein Chef. Heute hat der Mann aus dem Rhein-Sieg-Kreis die Perspektive gewechselt und seine eigenen Mitarbeiter im Büro. Umziehen musste Alexander Neu gar nicht weit. Er sitzt nun ein Zimmer weiter in dem Büro, das einst Paul Schäfer nutzte.   Dafür hat sich sein Alltag verändert. „Als Referent konnte ich in die Details tiefer einsteigen, viel Literatur lesen. Jetzt bin ich vor allem außerhalb unterwegs. Diese großen Reisetätigkeiten hatte ich mir nicht vorstellen können“, sagt Neu. Als Abgeordneter sei man zeitlich flexibler, könne die Termine selbst steuern. „Dafür ist es deutlich mehr Arbeit, vor allem erheblich mehr zeitlicher Aufwand wegen der vielen Sitzungen. Fraktion, Ausschuss, Plenum, Landesgruppe, Wahlkreis. Hinzu kommen Treffen mit Journalisten, Vertretern von Unternehmen im Wahlkreis, NGOs oder Friedensaktivisten. „Die Arbeit macht viel Spaß, vor allem wenn ich merke, dass wir mit Nachfragen wie etwa im Verteidigungsausschuss oder durch Anfragen im Plenum Wirkung erzielen“, konstatiert der Bonner. So habe er im Verteidigungsausschuss sowohl Ministerin Ursula von der Leyen als auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit gezielten Nachfragen ins Schwitzen gebracht. „Die wollten natürlich zu bestimmten Zahlen und Fakten nichts oder wenig sagen. Durch unsere Hartnäckigkeit gerieten sie unter Druck. Da habe ich gespürt, wie wichtig unsere Oppositionsarbeit ist.“ Diese Kontrollfunktion der Linken gewissenhaft wahrzunehmen, sei für ihn großer Antrieb gewesen, sich als Abgeordneter in die politischen Auseinandersetzungen zu begeben. „Durch meine Arbeit als Referent wusste ich ungefähr, was im Falle eines Wahlerfolgs als Abgeordneter auf mich zukäme. Nun ist ein gutes Jahr vorüber und ich habe diesen Wechsel nicht bereut.“   In der Fraktion DIE LINKE gebe es bei manchen Themen auch unterschiedliche Auffassungen. Das gehöre zur Realität in der Politik, auch in den eigenen Reihen, meint Alexander Neu. „Wir finden da in konstruktiven Diskussionen am Ende gemeinsame Positionen. So können wir im Plenum geschlossen agieren.“ Nach einer gemeinsamen Veranstaltung im Osten der Bundesrepublik lobt Alexander Neu die Zusammenarbeit mit den beiden Ostfrauen Susanna Karawanskij und Kerstin Kassner. „Das hat uns insgesamt nähergebracht und so manch unterschiedliche Sichtweise zwischen Ost und West für den oder die anderen jeweils verständlicher gemacht.“ Überhaupt wünsche er sich, dem Vorschlag von Fraktionschef Gregor Gysi nach mehr Ost-West-Austausch intensiver zu folgen. „Es war für mich sehr interessant und lehrreich, Gespräche und Veranstaltungen im Osten zu erleben. Durch unsere unterschiedlichen Biografien und sozialen Bindungen in den Heimatkreisen können diese Reisen in die Regionen anderer Abgeordneter zu noch mehr Miteinander beitragen.“ Die beiden „Neulinge“ Susanna Karawanskij aus Sachsen und Alexander Neu aus Nordrhein-Westfalen sind sich einig: Mit engagierter Arbeit können auch sie das Erfolgsmodell der Linken im Bundestag fortsetzen helfen.