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„Geld abgeben, dass was Gutes passiert“

Von Barbara Höll, erschienen in Clara, Ausgabe 19,

Im Oktober 2010 gründete sich die Initiative „Vermögensteuer jetzt!“, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Gewerkschaftern, Künstlern, Unternehmern. 20500 Mitunterzeichner gibt es bis jetzt. clara stellt zwei der Initiatoren vor.

Ulm-Lehr: Der Unternehmer


Im Flur des Firmensitzes von „Liqui Moly“ hängt eine Begriffe-Tafel, auf der von A wie Anstand über F wie Fleiß bis V wie Vertrauen beinahe alle Tugenden eines wahrhaft guten Menschen in rötlichen Buchstaben auf weißem Grund verzeichnet sind. Ernst Prost ließ sie anbringen. Als ein Aushängeschild jener Tugenden, die ihm wichtig sind? Für sein Unternehmen und für seine Unternehmungen?


Prost ist Geschäftsführer der Firma, die mit Motorölen im vorigen Jahr einen Umsatz von 250 Millionen und einen Gewinn von 15 Millionen Euro machte. Tendenz steigend. Der reiche Mann fing als Automechaniker an. „Ich wollte raus aus dieser Flüchtlingssozialwohnung, in die ich hineingeboren wurde. Ich wollte raus aus dieser sozialen Schicht.“ Ein Aufsteiger, der legendäre Tellerwäscher. Nur dass die Lebensgeschichte wahr ist und Prost fest an Leistungs- und Aufstiegsgerechtigkeit glaubt.


Als Realist und Rechner spürt er, andererseits, dass etwas aus dem Lot geraten ist. Etwas, das die soziale Mobilität, die soziale Durchlässigkeit in der Gesellschaft blockiert. Eine Verkrustung und Abschottung von Milieus und Schichten. Ein Geld-Egoismus. Doch „Geld, das nur angelegt wird, um Geld zu zeugen, ist Teufelszeug“, sagt Prost. Es muss erarbeitet und reinvestiert werden. Geld im Casino machen, spekulativ zocken, von einem Erbe zehren – nein. Und der Staat muss handlungsfähiger werden durch vermehrte Steuereinnahmen. Etwa durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer, die 1997 abgeschafft wurde. Das andere Mittel des Staates, zahlungsfähig zu werden oder es mit horrender Verschuldung halbwegs zu bleiben, ist das Sparen.


Ernst Prost wirkt wie einer, dem Sparen ein Gräuel ist. Geld muss in Arbeitsplätze „verwandelt“ werden. Oder in höhere Tarifsätze, die er seinen Angestellten zahlt. Oder auch in eine Stiftung, die er kurzerhand gründete, weil so schneller Leuten, die unverschuldet in Not geraten sind, geholfen werden kann. Bei der Wiedereinführung der Vermögensteuer will es Prost nicht belassen. „Ich will, dass man den Spitzensteuersatz wieder hochsetzt. Ich will, dass auch die Erbschaftsteuer angezogen wird, damit Vermögen, das an in die nächste Generation vererbt wird, höher besteuert wird. Ich will, dass die Kapitalertragsteuer erhöht wird. Ich will Geld abgeben, dass Gutes passiert.“


Über eine Sache kann der erfolgreiche Unternehmer nur den Kopf schütteln: „Mich wundert’s und mir ist es ein Rätsel, dass die Politik in Berlin diese ausgestreckten Hände vieler Reicher, vieler Unternehmer nicht nimmt und sagt: ›Okay, jetzt machen wir mal ’ne höhere Steuer!‹“

Köln-Niehl: Der Staatsbeamte a.D.


Das kleine Einfamilienhaus ist eines unter vielen in der Werksiedlung der Kölner Ford-Werke. Durch die vom Efeu zugewachsene Fassade blicken die gardinenlosen Fenster. Aus einst vier winzigen Zimmern haben die Bewohner einen großen Raum gemacht. In dem sitzt der ehemalige politische Spitzenbeamte Wolfgang Lieb und analysiert und kommentiert die deutsche Wirklichkeit.


Der Mann ist unruhig. Wenn er, was er jeden Tag macht, die großen Blätter des Landes liest, dann baut sich in ihm Wut auf. Der Mann ist ungeduldig. Wenn er, was er manchmal macht, Vorträge hält oder regelmäßig im Internet die „NachDenkSeiten“ mit Beiträgen bestückt, dann spricht und schreibt er mit faktischer Bedachtsamkeit. Die Vermögensteuer wieder einzuführen ist für den Staatssekretär a.D. zwingend notwendig.


Zahlen und Fakten und die Erfahrungen eines Lebens als politischer Beamter sind Liebs Fundus. „Es gibt eine empirisch nicht zu widerlegende zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich.“ 30 Prozent der Bevölkerung besitzen über 90 Prozent des Vermögens, die reichsten zehn Prozent verfügen über 60 Prozent. Die reale Steuerbelastung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen ist mit 21 Prozent die niedrigste im EU-Vergleich.
„Wer mehr Gleichheit will, der muss an einer Umverteilung interessiert sein, und mehr Gleichheit tut einer Gesellschaft gut“, sagt Wolfgang Lieb. Er, der Staatsbeamte a.D., spürt das gleiche Unbehagen wie Ernst Prost, der Unternehmer. Vom Staat erwarten beide nicht das Alleinseligmachende. Wenigstens aber eine kluge Steuerpolitik, die nicht die Reichen begünstigt, sondern den Nichtvermögenden eine Chance gibt. Auf Arbeit, auf Einkommen und damit auch auf das Zahlen von Steuern.


Wolfgang Lieb war neun Jahre lang Regierungssprecher von Johannes Rau, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. „Für meinen Chef war es wichtig, ein Bündnis derjenigen herzustellen, die Solidarität brauchen, und ein Bündnis derjenigen, die bereit sind, Solidarität zu geben.“ Die Vermögensteuer-Initiative ist für den Mann ein Element, ein Puzzleteil in dem großen Entwurf einer gerechteren Gesellschaft. Wolfgang Lieb sieht die Gefahr, dass sich „viele Leute nicht mehr ausreichend für die Demokratie einsetzen, weil ihnen die Politik egal ist oder weil sie zynisch werden“. Dagegen setzt er seinen Optimismus: „Ich hoffe, dass sich Menschen an einem vernunftbestimmten, alternativen Konzept orientieren.“
 


Vermögensteuer jetzt
Bei der parteienunabhängigen Initiative „Vermögensteuer jetzt!“ kann jede und jeder mitmachen. Im Internet unter www.vermoegensteuerjetzt.de gibt es ausführliche Informationen und die Möglichkeit, den Aufruf zu unterzeichnen. Nach Auskunft der Initiatoren brächte eine Wiedereinführung der Vermögensteuer von nur einem Prozent auf Vermögen oberhalb eines Freibetrags von 500.000 Euro zusätzliche Steuereinahmen von etwa 20 Milliarden Euro im Jahr, die Städten und Gemeinden zugute kämen.










Barbara Höll
Vermögensteuer ist Gebot der Stunde
Die Vermögensteuer zu reaktivieren, ist angesichts der zunehmenden Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen das Gebot der Stunde. Zumal die Gründe für die Aussetzung dieser Steuer behoben wurden und einer Wiedererhebung nichts im Wege steht.
Nicht nur Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten fordern die Vermögensteuer, sondern auch ein Teil derer, denen es finanziell sehr gut geht. Sie merken, dass etwas aus dem Lot geraten ist, und wollen das ändern.
Die Initiative „Vermögensteuer jetzt!“, die ich als eine von vielen Erstunterzeichnerinnen ausdrücklich unterstütze, ist ein Beispiel dafür. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für die Wiedererhebung der Vermögensteuer.

Barbara Höll ist Sprecherin für Steuerpolitik der Fraktion DIE LINKE.