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Für ein solidarisches und modernes Gesundheitssystem

erschienen in Clara, Ausgabe 13,

Über das Gesundheitssystem wird immer, derzeit aber besonders heftig diskutiert. Dabei sind die Anforderungen überschaubar: Wer krank wird, will eine gute medizinische Versorgung, um wieder gesund zu werden, oder zumindest lernen, mit seiner Krankheit zu leben. Sehnlichster Wunsch ist wohl aber, erst gar nicht krank zu werden. Doch was finden wir vor? Von der Art der Krankenversicherung hängt mittlerweile ab, wie gut die medizinische Versorgung ist. Gesetzlich Versicherte warten länger auf einen Arzttermin als privat Versicherte. Gesetzlich Versicherte erhalten nicht mehr alle Leistungen, die sie benötigen. Durch Praxisgebühr und Zuzahlungen scheuen sich arme Menschen immer häufiger, einen Arzt aufzusuchen.
Es ist Zeit zu handeln! Wir brauchen eine Neuorientierung im Gesundheitssystem: Im Mittelpunkt muss der Mensch stehen. Jeder hat das gleiche Recht auf medizinische Versorgung. Alle sollen unabhängig von Alter, Geschlecht, Wohnort oder Einkommen sämtliche erforderlichen medizinischen Hilfen und Leistungen erhalten. Ohne Zuzahlung, ohne Praxisgebühr oder Eigenbeteiligung.
Eine moderne Gesundheitspolitik beginnt bei sozialer Gerechtigkeit. Armut macht Menschen häufiger krank. Die soziale Lage entscheidet über den Gesundheitszustand. Menschen mit niedrigerem Einkommen, geringerer Bildung oder unsicherer beruflicher Position sind kränker als andere. Wir brauchen gesundheitsförderliche Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen. Gesundheitsförderung und Prävention können einen Beitrag leisten. Das Präventionsgesetz kommt auch in dieser Legislaturperiode nicht. Gesundheitsförderung und Prävention fristen ein Schattendasein. Viele Engagierte in diesem Bereich warten sehnsüchtig darauf, dass ihre Projekte dauerhaft eingeführt werden. Wir benötigen erfolgreiche Projekte, flächendeckend.
Die Qualität der medizinischen Versorgung darf nicht hinter wirtschaftlichen Überlegungen zurückstehen. Doch Ziel der Gesundheitsreformen der letzten Jahrzehnte war Kostendämpfung - egal welche Regierung das Sagen hatte. Dabei wurden aber zuvörderst die Arbeitgeber auf dem Rücken der Versicherten entlastet. Eine Reform, die ihren Namen verdient, war nicht dabei.

Wir brauchen den Umbau hin zu einem präventiven Gesundheitssystem. Statt Leistungen auszugrenzen, muss die einseitige Orientierung auf die Schulmedizin aufhören. Ein ganzheitlicher Gesundheitsansatz muss her. Die Komplementärmedizin braucht eine echte Chance, weil sie Patientinnen und Patienten stärkt und zum gleichberechtigten Partner der Ärzteschaft werden lässt. So können auch Fehl- und Überversorgungen vermieden werden.

Es gibt relativ einfache Lösungen, wie sich Ausgaben rasch reduzieren lassen: Mit einer Positivliste könnten mindestens 20 Prozent der Ausgaben eingespart werden. Dann würden nur noch sinnvolle und nützliche Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet. Oder: Arzneimittel mit dem ermäßigten Satz, also mit 7 statt bisher mit 19 Prozent zu besteuern, bringt auf einen Schlag mindestens
3 Milliarden Euro Kosten weniger.

Um das Gesundheitssystem finanziell für die Zukunft zu wappnen, brauchen wir eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Alle müssen einbezogen und alle Einkommen beitragspflichtig werden. Wenn die Last auf mehr Schultern verteilt und eine breitere Beitragsbasis geschaffen würde, bräuchten wir nur 8,9 Prozent Beiträge statt der derzeit 15,5 Prozent. Wählte man dann einen Beitragssatz von 10 Prozent, wäre genug Geld da, alle Zuzahlungen und die Praxisgebühr zurückzunehmen, allen den medizinischen Fortschritt zugänglich zu machen und die Arbeitsbedingungen der im Gesundheitsbereich Tätigen attraktiver zu gestalten.