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Frieden nur durch Truppenabzug

Von Paul Schäfer, erschienen in Clara, Ausgabe 26,

Nato und Bundeswehr reduzieren ihre Truppen in Afghanistan, kämpfen sollen künftig die afghanischen Sicherheitskräfte. Wird jetzt alles gut in Afghanistan? Mitnichten, meint Paul Schäfer

Die Anzahl der sogenannten Insider-Attacken, also Gewaltakte gegen Isaf-Soldaten durch Angehörige afghanischer Sicherheitskräfte, ist stark gestiegen. Auch die Angriffe mit Sprengfallen haben zugenommen: Im Stationierungsbereich der Bundeswehr waren es im Jahr 2012 bereits über 500 – doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. Und Tausende Zivilisten haben das Andauern des Krieges mit ihrem Leben bezahlt: 3099 Tote von Juli 2011 bis Juli 2012.

Die Bundesregierung verweist vor allem darauf, dass die Zahl der im vergangenen Jahr gefallenen Isaf-Soldaten gesunken sei. Auf Nachfrage der Fraktion DIE LINKE hat das Verteidigungsministerium eingeräumt, dass dafür aber die Verluste der afghanischen Regierungstruppen in den Jahren 2011 und 2012 in ungefähr derselben Größenordnung anstiegen wie die Isaf-Verluste sanken. Eine wirkliche Verringerung der Gewalt hat also nicht stattgefunden. Interne Berichte der Bundesregierung prophezeien, dass dies auf absehbare Zeit so bleiben wird. Zumindest aber könne man auch künftig eine rasche Übernahme der Macht durch die aufständischen Taliban verhindern.

Im Klartext: Ein von Präsident Hamid Karzai auserkorener Nachfolger bleibt Herrscher über die Hauptstadt Kabul, die größeren Provinzstädte und die Straßen zwischen ihnen. Für größere Teile des Landes ist von einer Festigung der Position lokaler Machthaber, darunter nicht wenige frühere Kriegsherren, auszugehen. Auch von lokalen Arrangements und Stillhalteabkommen mit den Taliban und anderen Aufständischen ist intern die Rede. Die hochfliegenden Pläne von der Demokratisierung des Landes wurden still und leise einkassiert; jetzt geht es in erster Linie um "Stabilität".

Ob die für das Frühjahr 2014 angesetzten Präsidentschaftswahlen etwas ändern werden, bleibt mehr als fraglich. Die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group fürchtet, dass ein Bürgerkrieg am Hindukusch droht, wenn das Regime von Hamid Karzai mit aller Macht versuche, sich im Amt zu halten.

Allein von Versöhnungsgesprächen und einer Verhandlungslösung hört man in Afghanistan derzeit herzlich wenig. Und genau das ist schlimm.

DIE LINKE bleibt dabei: Es geht nicht um halbgare Teilabzüge, erst recht nicht um ein neues Afghanistanmandat des Deutschen Bundestags über das Jahr 2014 hinaus. Jetzt kommt es darauf an, die Bundeswehr möglichst rasch und komplett zurückzuholen. Ein Waffenstillstand muss her als Voraussetzung für alles Weitere. Durch Verhandlungen muss darauf hingewirkt werden, dass sich die sogenannten Aufständischen in politische Parteien umwandeln, also auch am Wahlprozess der nächsten Jahre teilnehmen. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE wird bei den Beratungen des Bundestags im Dezember dieses Jahres und im Januar 2013 ihre Ablehnung des Militäreinsatzes am Hindukusch bekräftigen und für friedliche Konfliktlösungen streiten.

 

Paul Schäfer ist verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE