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"Frauen werden noch immer beim Lohn diskriminiert"

erschienen in Lotta, Ausgabe 4,

Dr. Sabine Reiner über betriebliche und politische Möglichkeiten, die großen Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern zu überwinden.

Warum erhalten Frauen in Deutschland im Durchschnitt 22 Prozent weniger Lohn als Männer?

Sabine Reiner: Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Berufen. Oder umgekehrt: Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, sind schlechter bezahlt. Und: Viele Frauen unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit, und jede zweite arbeitet meist unfreiwillig Teilzeit. So lässt sich schlechter Karriere machen. Aber jenseits dieser Erklärungsversuche: Es bleibt immer ein Rest, der nur durch  Diskriminierung erklärt werden kann.

Weshalb ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in anderen europäischen Ländern kleiner?

Dort ist die Teilzeitquote von Frauen niedriger. In Portugal zum Beispiel arbeiten nur gut zehn Prozent der Frauen Teilzeit, und die Lohnlücke liegt unter zehn Prozent. In Deutschland werden Dienstleistungen im Schnitt deutlich schlechter bezahlt als Industriejobs – die klassische Männerwelt. Das ist in der Mehrheit der europäischen Länder genau anders herum.

Welche betrieblichen Möglichkeiten sehen Sie zur Beseitigung der Ungleichheiten?

Es gibt einen Check zur Entgeltgleichheit, welcher ein nützliches Prüfinstrument für Betriebs- und Personalrätinnen oder auch einzelne Beschäftigte ist. Damit können sie anhand der verschiedenen Lohnbestandteile wie Grundvergütung, Überstunden-, Leistungs- oder Erschwerniszuschläge checken, ob diskriminiert wird. Jede und jeder kann die Unterlagen dafür im Netz unter eg-check finden und runterladen.

Was kann die Politik hierzulande tun?

Wichtig sind zum Beispiel verlässliche, erschwingliche und qualitativ gute Kitas und Ganztagsschulen, damit Familie und Beruf unter einen Hut passen. Wichtig ist auch eine Arbeitsmarktpolitik, die die Deregulierung und Prekarisierung eindämmt und es Frauen und Männern ermöglicht, zusätzlich zum Job auch ein Familienleben zu führen.

Dr. Sabine Reiner ist Gewerkschaftssekretärin bei ver.di und leitet den Bereich Wirtschaftspolitik

Das Interview führte Stefan Kalmring