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Flüchtlingshilfe in Österreich

erschienen in Clara, Ausgabe 39,

Anahita Tasharofi und Mahsa Ghafari, zwei ehrenamtliche Flüchtlingshelferinnen, berichten von ihrer Arbeit mit Geflüchteten im Nachbarland.

Als die Fraktion DIE LINKE im November des vergangenen Jahres zu einer bundesweiten Flüchtlingshelferkonferenz nach Berlin einlud, hatten zwei junge Frauen den weitesten Weg: Anahita Tasharofi und Mahsa Ghafari waren eigens aus Wien angereist, um auf der Konferenz ihre Erfahrungen vorzustellen. Nicht über ihre eigene Flucht aus dem Iran sprachen sie, sondern über ihr Engagement für Geflüchtete in ihrer zweiten Heimat, in Österreich.    Gemeinsam haben sie den Verein „Flucht nach vorn“ gegründet, der Kindern und Jugendlichen Integrationsperspektiven bietet. „Bei mir persönlich spielt meine Vergangenheit eine Rolle“, erläutert Anahita Tasharofi ihre Motivation. Den Verlust von Heimat, Identität, Sprache, Freunden, Familie und all dem, was man sich jemals aufgebaut hatte, könne sie nachvollziehen. „Das hat mich dazu bewegt, andere Menschen zu unterstützen, die Ähnliches durchmachen müssen.“    Die dramatischen Ereignisse im Sommer 2015, als Zehntausende Flüchtlinge in Ungarn festsaßen, brachten beide Frauen dazu, Katastropheneinsätze an ungarisch-österreichischen Grenzübergängen zu organisieren. Unter anderem im ungarischen Röszke halfen sie den Flüchtenden ganz konkret. Es besorgt Anahita Tasharofi und Mahsa Ghafari, dass staatliche Behörden die humanitär motivierte Hilfe bei der Flucht kriminalisieren.    Die Arbeit ihres Vereins hat sich in den vergangenen Monaten verändert. „Der Bedarf an Deutschkursen ist beispielsweise so stark gestiegen, dass wir sie nun auch kostenlos anbieten“, sagt Mahsa Ghafari. Anfangs wollten die beiden Frauen in erster Linie etwas dagegen unternehmen, dass so viele junge Menschen zum Nichtstun verdammt sind. Für ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben seien Ausbildung und Förderung von verschiedenen Fähigkeiten notwendig, sagen sie. Zumal die Folgen von Beschäftigungslosigkeit für die Psyche oftmals traumatisierter Jugendlicher sehr negativ sein könnten.    Der österreichische Staat lässt Helferinnen im Stich   Die beiden Frauen machen ihre Arbeit gern, auch wenn sie vor allem auf Selbstausbeutung basiert. Aber sie ärgern sich, dass der österreichische Staat sie weitgehend im Stich lässt und sich statt um Integration vor allem um Flüchtlingsabwehr kümmert. Es werde in Österreich derzeit viel über mangelnden Integrationswillen der Geflüchteten diskutiert, berichtet Mahsa Ghafari, aber nur selten über die Werte der Mehrheitsgesellschaft: „Wie bringen wir es eigentlich mit unseren Werten in Einklang, dass wir unbegleitete Minderjährige nicht angemessen betreuen? Oder so vielen geflüchteten Menschen die Möglichkeit zur Ausbildung verwehren? Oder ihnen das Recht zu arbeiten vorenthalten?“   Im Sommer des vergangenen Jahres sei die Öffentlichkeit gegenüber den Geflüchteten und den Helferinnen und Helfern sehr positiv eingestellt gewesen, nun werden die Gegner einer offenen Politik lauter, berichtet Mahsa Ghafari. Sie glaubt jedoch nicht, dass die Hilfsbereitschaft insgesamt nachlässt: „Die Bereitschaft derer, die sich bisher für Geflüchtete engagiert haben, ist nach wie vor da.“    Probleme sieht Anahita Tasharofi bei der Regierung im Land. „Bereits vor dieser Fluchtwelle herrschten inhumane Missstände im Asylbereich. Uns erreichen schubweise schockierende Nachrichten und für mitteleuropäische Verhältnisse untypische Verletzungen der Menschenrechte“, sagt sie und kritisiert, dass Österreich nun eine Obergrenze beschlossen hat, anstatt die humanitäre und rechtliche Lage der Geflüchteten zu verbessern. „Das Einzige, was diese Obergrenze verursacht, ist noch größeres Leid für die Flüchtenden. Diese werden kriminalisiert und bekämpft, obwohl eher die Ursachen für Krieg und Korruption bekämpft werden sollten!“