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Facetten politischer Korruption

Von Wolfgang Neskovic, erschienen in Clara, Ausgabe 20,

Als einzige Fraktion im Bundestag fordert DIE LINKE, Parteispenden von Unternehmen zu verbieten und die Bestechung von Abgeordneten unter Strafe zu stellen.

»Mehr Netto vom Brutto« – mit diesem Versprechen holte die FDP bei der Bundestagswahl 2009 ein Rekordergebnis. Mit Steuersenkungen beglückte sie jedoch nicht die Mehrheit der Bevölkerung, sondern lediglich einzelne Branchen, etwa die Hotelindustrie.

Die größte Spende im Jahr der Bundestagswahl erhielt die FDP übrigens von einem Hotelier: 850.000 Euro überwies August von Finck junior, Besitzer der Hotelkette Mövenpick. Ein Jahr zuvor hatte er bereits der CSU 820.000 Euro zukommen lassen. In den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl setzten beide Parteien dann die Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen durch.

Insgesamt spendeten Unternehmen und Verbände im Jahr der Bundestagswahl allein der CDU und CSU fast 20 Millionen Euro. Die FDP erhielt fast sechs Millionen, die SPD mehr als vier Millionen Euro. Die Grünen bekamen immerhin noch fast eine Million Euro. DIE LINKE hat als einzige Bundestagspartei keine Großspenden von Unternehmen und Verbänden erhalten.

Für den Justiziar der Bundestagsfraktion DIE LINKE, Wolfgang Neskovic, erwecken »die Millionenspenden den Eindruck, Parteien seien käuflich«. Als einzige Fraktion im Bundestag tritt DIE LINKE dafür ein, Unternehmensspenden an Parteien zu verbieten. Neskovic, vormals Richter am Bundesgerichtshof, fordert zudem, dass die Bestechung von Abgeordneten endlich unter Strafe gestellt wird.

Häufig sind die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik weniger offensichtlich als im Fall Mövenpick. Der Ökonom Bert Rürup ist ein gutes Beispiel hierfür. Von 2000 bis 2009 zählte Rürup, unter anderem Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen, zu den mächtigsten Wissenschaftlern der Republik. Beinahe alle Rentenreformen des vergangenen Jahrzehnts gehen maßgeblich auf seine Stellungnahmen und Gutachten zurück.

Dank der von ihm favorisierten Teilprivatisierung der Altersvorsorge eröffneten sich für Versicherungen und Finanzunternehmen zahlreiche lukrative Geschäftsfelder.Bei einer dieser Firmen, dem Finanzdienstleister AWD, heuerte Bert Rürup im Jahr 2009 als Chefökonom an. Den Großteil seiner Umsätze erzielt AWD mit dem Verkauf privater Altersvorsorgepolicen.

Auch Ex-Arbeitsminister Walter Riester (SPD), Namenspatron einer privaten Altersvorsorge, war ein gern gesehener und gut bezahlter Redner auf Veranstaltungen der Versicherungsindustrie. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag vor zwei Jahren kassierte er für Vorträge und andere Nebentätigkeiten nach eigener Auskunft mehr als 330.000 Euro. Solche Verflechtungen bezeichnet der prominente Buchautor und ehemalige Kanzleramtsmitarbeiter der SPD, Albrecht Müller, als »politische Korruption«.

Die Liste der Politiker, die aus der Politik in die Wirtschaft wechselten, ist lang. Als Kanzler unterstützte Gerhard Schröder (SPD) den Bau einer nordeuropäischen Gaspipeline durch den russischen Konzern Gazprom – wenige Wochen nach seiner Abwahl 2005 wechselte er zu ebenjenem Unternehmen. Wolfgang Clement (SPD) förderte als Wirtschafts- und Arbeitsminister den Boom der Leiharbeitsbranche, nach seiner Amtszeit diente er im Aufsichtsrat der Zeitarbeitsfirma DIS AG.

Der einstige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Rezzo Schlauch, arbeitet seit Jahren im Beirat des baden-württembergischen Energiegiganten EnBW mit. Und Hessens vormaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) zog es in den Vorstand des Baukonzerns Bilfinger Berger, der am Bau der neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens beteiligt war.

Die Fraktion DIE LINKE hat Vorschläge gemacht, um Transparenz in das undurchsichtige Geflecht aus Wirtschaft und Politik zu bringen. Ihr Justiziar Wolfgang Neskovic fordert die Einführung eines öffentlichen Lobbyistenregisters, in dem all jene verzeichnet sind, die auf die Gesetzgebung Einfluss ausüben wollen und zu diesem Zweck Kontakte mit den Parlamentsmitgliedern pflegen. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu wissen, welche Unternehmen auf welche Weise Einfluss auf die Politik nehmen«, sagt Neskovic. Zudem dürften Spitzenpolitiker nicht mehr direkt in Privatunternehmen und Interessenverbände wechseln.

Ruben Lehnert