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Es war Krieg. Sag mir, wo die Frauen waren

erschienen in Lotta, Ausgabe 7,

Die Künstlerin: Käthe Kollwitz (1867 – 1945)

Käthe Kollwitz hatte zwei Söhne. Beide meldeten sich in den ersten Kriegstagen als Freiwillige. Die Mutter notiert: „13. August 1914….Die Männer, die in den Krieg gehen, hinterlassen meist Frau und Kinder, ihr Herz ist geteilt. Die Jungen sind in ihrem Herzen ungeteilt. Sie geben sich mit Jauchzen.“  Schon am 22. Oktober 1914 fällt der jüngste Sohn Peter in Flandern, 18jährig. Die Kollwitz schreibt  am 1. Dezember 1914: „Heute Nacht den Plan zu einem Denkmal für Peter gefasst, aber wieder aufgegeben, weil es mir unausführbar schien…. Das Denkmal soll Peters Gestalt haben, ausgestreckt liegend, den Vater zu Häupten, die Mutter zu Füßen, es soll dem Opfertod der jungen Kriegsfreiwilligen gelten. Es ist ein wundervolles Ziel, und kein Mensch hat ein solches Anrecht darauf, dieses Denkmal zu machen wie ich…“. Es soll 18 Jahre dauern, bis ihre Idee Wirklichkeit sein wird. Im Juni 1932 wird  auf dem belgischen Soldatenfriedhof Vladslo „Das trauernde Elternpaar“ eingeweiht, zwei kauernde Gestalten mit den Zügen der Künstlerin und ihres Arzt-Ehemannes, beide tief gezeichnet von Trauer. Aber es ist nicht mehr das Denkmal für eine „patriotische Jugend“, die sich „opferte“, sondern ein Mahnmal gegen den Krieg und das Leid, das er über alle Menschen bringt. 

 

Die Krankenschwester: Elsa Brändström (1888-1948)

Elsa Brändström lebt 1914 in St. Petersburg. Ihr Vater ist Diplomat, schwedischer Botschafter. Tochter Elsa meldet sich freiwillig für Lazarett- und Gefangenenlagerdienste. 1922 erscheinen ihre Erinnerungen. „Anfänglich begann meine Arbeit für die Kriegsgefangenen in ganz privater Weise, indem eine Dame der schwedischen Gesellschaft in Petersburg… und ich die Fürsorge für die ersten Gefangenen ... übernahmen. Später wurde diese Fürsorge vom schwedischen Roten Kreuz übernommen, als dessen Vertreter ich im Oktober 1915 dem ersten Gefangenenhilfszug tiefer nach Russland hinein bis nach Sibirien folgte, eine Reise, die ich dann wiederholt und unter immer mehr veränderten Verhältnissen machte.“ Es fehlte an allem: an Unterkünften, medizinischem Material, Lebensmitteln, Seuchen grassierten, die Menschen erfroren. Elsa Brändström setzt sich bei den russischen Behörden für eine bessere Lagerausstattung ein, organisiert Hilfe über das Deutsche, Schwedische und Österreichische Rote Kreuz. Ihr Einsatz für die Gefangenen, egal welcher Nation, hatte sich herumgesprochen, sie nennen Elsa Brändström den „Engel von Sibirien“. Nach dem Krieg setzt sie ihre humanitäre Arbeit fort. In der Oberlausitz gründet sie ein Arbeitssanatorium für ehemalige Kriegsgefangene, in der Uckermark richtet sie ein Heim für Kinder verstorbener Kriegsgefangener ein, während einer Vortragsreise in den USA sammelt sie 100 000 Dollar für ein Kinderheim in Mittweida. Heute erinnert ein Straßennamen an die schwedische Rotkreuz-Schwester: die Elsa Brändström-Straße in Berlin-Pankow.

 

Die Journalistin: Dorothy Lawrence (1896-1964)

Über die Londonerin Dorothy Lawrence ist wenig bekannt. Spektakulär bleibt ihr Auftauchen im Sommer 1915, verkleidet als Mann in Uniform im britischen Schützengraben im französischen Departement Somme. Zuvor hatte sie verschiedene Zeitungsredaktionen abgeklappert, angekündigt als Reporterin an die Front zu gehen. Sie erntete Hohn und Kopfschütteln. Lawrence, klein und schmal, schreibt trotzig: „Ich werde herausfinden, was ein gewöhnliches, englisches Mädchen ohne Zeugnis oder Geld schaffen kann. Ich werde sehen, was ich als Kriegsreporterin erreichen kann.“ Sie kauft sich ein Fahrrad, radelt an die Kanalgrenze, setzt dort mit der Fähre nach Frankreich über. Dort wird sie von der Polizei aufgegriffen und zur Umkehr aufgefordert. Lawrence macht das Gegenteil, versteckt sich im Wald, schlägt sich bis Paris durch. Hier trifft sie im August 1915 auf verschiedene Helfer, Soldaten der britischen Armee. Sie besorgen ihr eine Uniform, bringen ihr das „Marschieren“ bei, sie opfert ihr langes Haar, die Brüste werden unter engen Bandagen versteckt. Sie ergattert einen Passierschein, dazu eine gefälschte Erkennungsmarke: Aus Dorothy Lawrence wird „Denis Schmith. No. 175331. Erstes Leicester Regiment. Römisch-katholisch.“

Doch der Krieg, die Brutalität, das Sterben um sie herum bringen Lawrence dazu, ihre Tarnung aufzugeben. In der Hoffnung, der Vorgesetzter wird schweigen, offenbart sie: „Ich will das Regiment nicht verlassen. Ich weihe Sie nur in das Geheimnis ein.“ Der Offizier lässt sie verhaften, als Kriegsgefangene abführen. Es folgen Verhöre, die Abschiebung nach London.

Solange der Krieg dauerte, durfte sie ihre Story nicht veröffentlichen. 1919 erscheint ihr Buch „Sappeur Dorothy Lawrence. Die einzige britische Soldatin. Late Royal Engineers, 51. Division. 179 Tunnelling Company, BEF.“ Dorothy Lawrence starb 1964 in einer Nervenklinik im Norden Londons. Auf ihrem Totenschein stand: „ehemalige Journalistin“.

Irina Modrow