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Es gibt nur eins, was teurer ist als Bildung: keine Bildung

Von Birke Bull-Bischoff, erschienen in Klar, Ausgabe 45,

Alle sind sich einig: Bildung hat einen hohen Stellenwert. Auch bei der Frage, warum das so ist, herrscht Einigkeit: Bildung entscheidet maßgeblich über die Gestaltungsmöglichkeiten im eigenen Leben. Und das nicht nur beruflich. Gerade in der heutigen Zeit der Vielfalt, einer digital und medial beeinflussten Welt, bei den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, etwa durch die Digitalisierung, braucht es eine gute Bildung zur Wertevermittlung, Demokratiebildung und zur sozialen Integration.

Doch unser Bildungssystem ist chronisch unterfinanziert. Nach Berechnungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau haben wir in Deutschland 48 Milliarden Euro Sanierungsstau bei Schulen, weitere 7,6 Milliarden Euro bei Kitas und 50 Milliarden Euro bei Hochschulen. Dazu überfüllte Kitas und Klassenräume und Hörsäle bei akutem Mangel an pädagogischen Fachkräften. Der berufliche und soziale Status der Eltern bleibt der wichtigste Faktor, der die Teilnahme an Bildung und somit später den wirtschaftlichen und sozialen Erfolg beeinflusst. Nach dem ausgedienten ständischen Prinzip »Schuster, bleib bei deinen Leisten« ist die soziale Auslese nach wie vor das Merkmal des deutschen Bildungssystems. Insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien besuchen seltener ein Gymnasium, machen infolge dessen seltener Abitur. Angesichts der hohen Zahl junger Erwachsener, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, sind diese Entwicklungen bedenklich.

Sicher würden viele den vielzitierten Worten John F. Kennedys zustimmen: »Es gibt nur eins, was teurer ist als Bildung: keine Bildung.« Daher muss alle Kraftanstrengung aufgebracht werden, damit jede und jeder Zugang zu Bildung hat. Bildung ist ein Menschenrecht.

Wir brauchen ein gutes modernes und gut ausgestattetes Bildungssystem. Die Rahmenbedingungen an den Schulen müssen stimmen. Wir brauchen gut ausgebildetes und ausreichendes Schulpersonal. Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen in einer sozialen Durchmischung statt sozialer Selektion. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz, Beitragsfreiheit in der Bildung und in der Ausbildung eine Mindestausbildungsvergütung, um die Bildungsfrage von der sozialen Frage zu entkoppeln. Das Kooperationsverbot in der Bildung muss komplett aufgehoben und eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankert werden. Wir brauchen bundesweit geltende Vereinbarungen zur Sicherung materieller und personeller Rahmenbedingungen an Schulen, zur Ausbildung, zu den Arbeitsbedingungen der Fachkräfte und zur Bildungsfinanzierung. Wir brauchen einen kooperativen Bildungsföderalismus, in dem Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit dauerhaften und nachhaltigen Investitionen eine gute moderne Bildung für alle schaffen. Egal, welcher Herkunft.

 

Birke Bull-Bischoff ist bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

 

Hoher Altersdurchschnitt in den Lehrerzimmern Deutschlands

Angaben in Prozent

 

■ < 30 Jahre: 6,6

■ 30–50 Jahre: 52

■ 50–60 Jahre: 27,1

■ 60–65 Jahre: 13,3

■ > 65 Jahre: 0,7

 

fehlend zu 100 Prozent: ohne Angabe

Quelle: Bildung in Deutschland 2018, Bundesministerium für Bildung

 

Fehlendes Personal

31.900 Lehrer pro Jahr ist der durchschnittliche Einstellungsbedarf bis 2030

31.200 ist die erwartete Anzahl von Absolventinnen und Absolventen pro Jahr

 

Westdeutschland: Bis 2030 Angebotsüberschuss +3,5 % jährlich ca. 900 Lehrkräfte

Ostdeutschland: Bis 2030 Unterdeckung –21,6 % jährlich ca. 1.500 Lehrkräfte

 

Wo fehlt pädagogisches Personal besonders

■ Berufsschulen, Grundschulen, Schulen mit sonderpädagogischem Ausbildungsprofil

■ Ostdeutsche Bundesländer und Stadtstaaten

■ Fächer wie Physik, Chemie, Englisch, Mathematik, Musik

 

Quelle: Kultusministerkonferenz Oktober 2018