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»Es findet ein Überwachungswettlauf statt«

erschienen in Klar, Ausgabe 33,

Der Ex-Datenschutzbeauftragte Peter Schaar über Geheimdienste und Tipps zum Datenschutz

Sie waren zehn Jahre lang Bundesdatenschutzbeauftragter. Welche Bilanz ziehen Sie?

Peter Schaar: In dieser Zeit ist es gelungen, den Datenschutz in der Öffentlichkeit stärker zu verankern und ein Gegengewicht zu schaffen gegenüber denjenigen, die für mehr Überwachung und größere Datensammlungen eintreten. Öffentlichkeit ist ein ganz entscheidendes Element, um Diskussionen und Aktionen auszulösen, die zur Begrenzung von Überwachung führen. Trotzdem ist zu konstatieren: Zum Ende meiner Amtszeit wurden durch staatliche Stellen und private Firmen sehr viel mehr Daten verarbeitet als zu Beginn. Daten, die im Alltag anfallen, werden aufgesammelt und zu Profilen zusammengesetzt. Für mich ist das aber kein Grund zur Verzweiflung, sondern ein zusätzliches Motiv, mich hier weiter zu engagieren.

Verschlüsseln Sie Ihre Mails?

Ich habe auf meinen Geräten jeweils Verschlüsselungsprogramme installiert und nutze sie, wenn meine Kommunikationspartner das auch machen. Leider muss man bisher Verschlüsselung individuell organisieren, doch sie muss Standard sein. So lässt sich erreichen, dass weder Geheimdienste noch sonstige Dritte an die Daten herankommen.

Auch ein Jahr nach den ersten Veröffentlichungen von Edward Snowden ändern viele Menschen ihr Verhalten am Telefon und im Internet nicht. Wie erklären Sie sich das?

Auch wenn bisher eine Minderheit ihre Daten verschlüsselt, der Umfang der verschlüsselten Kommunikation hat im letzten Jahr deutlich zugenommen. Immer noch können sich viele Menschen nicht vorstellen, dass Informationen, die sie im Internet preisgeben, gegen sie verwendet werden. Das ist aber ein Trugschluss. Nicht nur staatliche Stellen interessieren sich dafür, private Firmen schlagen aus unseren Daten Kapital. Denken Sie an die Risikobewertung bei Kreditvergaben oder die Bewerbung um einen Arbeitsplatz. Hier müssen wir weiter aufklären.

Der BND will bis zum Jahr 2020 insgesamt 300 Millionen Euro für Überwachungstechnik ausgeben, um mit der NSA gleichzuziehen …

Ähnliche Argumente hat früher das Militär im Kalten Krieg benutzt, wenn es um mehr Rüstungsausgaben ging. Jetzt verwenden sie Geheimdienste, um ihre Überwachungskapazitäten noch weiter auszubauen. Da findet ein Überwachungswettlauf statt, auf den wir uns nicht einlassen sollten. Es geht um Abrüstung, auch bei der Überwachung.

Wie können wir selbst für mehr Datenschutz sorgen?

Die Nutzer sollten genauer überlegen, wem sie ihre Daten anvertrauen und was sie preisgeben. Daten können besser gesichert werden, da spielt auch die Wahl des E-Mail-Providers eine Rolle. Schließlich sollten nicht alle elektronischen Dienste von einem Anbieter bezogen werden. Gegenüber Geheimdiensten hilft das aber nur begrenzt, vor allem, wenn sie sich Daten durch die Hintertür beschaffen. Es ist deshalb eine gesellschaftliche und politische Aufgabe, für mehr Datenschutz zu sorgen. Regierungen und Parlamente müssen beherzter handeln und denjenigen, die Daten sammeln, klare Grenzen setzen.

Wo werden wir Ihrer Meinung nach in fünf Jahren stehen?

Vermutlich werden künftig noch mehr Daten gesammelt werden, weil die Technologien dafür entwickelt werden und das reale Leben mit der virtuellen Welt noch stärker vernetzt wird. Die neue Qualität ist die Massenüberwachung, die immer mitläuft. Es sind immer mehr Daten von uns allen verfügbar, und so werden wir alle Gegenstand der Überwachung. Was passiert mit den Daten, werden sie mit anderen Daten kombiniert? Denn so entsteht ein genaues Bild meiner Persönlichkeit. Damit müssen wir uns künftig mehr auseinandersetzen. Datenschutz ist deshalb nicht bloß ein rechtliches Problem, sondern es geht auch darum, die Technikentwicklung zu beeinflussen. Letztlich geht es nicht bloß um Privatsphäre, sondern um die Kontrolle über unsere Daten und damit über unser ganz reales Leben.

Das Interview führte Steffen Twardowski.