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„Es braucht wirksame Whistleblower-Gesetze“

erschienen in Clara, Ausgabe 36,

Erst war er Banker, dann wurde Rudolf Elmer wegen der Weitergabe von geheimen Kundendaten an Steuerbehörden und die Enthüllungsplattform Wikileaks der berühmteste Whistleblower der Schweiz.

Sie waren Whistleblower, haben ab dem Jahr 2008 geheime Kundendaten an Steuerbehörden und Wikileaks übergeben. Warum eigentlich?

Rudolf Elmer: Es wurde mir bewusst, dass sich hier der größte Diebstahl der Menschheit unter Nachbarstaaten abspielt und die schweizerische Justiz die kriminellen Geschäfte schützte.

Mit dem Abstand von ein paar Jahren: Sind Sie zufrieden mit dem Resultat Ihrer Enthüllungen, hat es sich gelohnt?

Ja, ich bin grundsätzlich zufrieden, denn viele Menschen sind meinem Beispiel gefolgt und haben die kriminellen Machenschaften öffentlich gemacht. Zudem wurden und werden noch weitere Machenschaften offengelegt.

Es kommt einem so vor, als gebe es alle paar Monate einen neuen Steuerhinterziehungsskandal und wenig würde passieren. Versagt die Politik oder will sie nicht?

Nicht nur die Politik versagte, vor allem aber auch die Justiz. Ich habe trotzdem die Hoffnung, dass – momentan mehrheitlich meist linke – Politiker daran arbeiten und die Steuerproblematik in den nationalen Parlamenten immer wieder zur Sprache bringen.

Was muss passieren, um dem internationalen Steuerbetrug endlich Einhalt zu gebieten?

Es ist ein globales Problem, das mit aller Schärfe bekämpft werden muss. Es müssen Sanktionen gegen nicht kooperative Länder verhängt werden, Steuerbetrügern und deren Beratern müssen lange Gefängnisstrafen drohen, und für sie müssen internationale Haftbefehle ausgestellt werden. Zudem muss Country-by-Country-Reporting als internationaler Reporting Standard durchgesetzt werden, bei dem multinationale Unternehmen dazu verpflichtet werden, in ihren Geschäftsberichten detailliert Informationen über ihre Geschäfte in allen Ländern offenzulegen wie etwa Ergebnisse vor Steuern oder die Höhe der abgeführten Steuern je Land. Außerdem dürfen die wahren Eigentümer von Vermögen nicht mehr verschleiert werden können.

Sie persönlich und Ihre Familie haben hart gelitten für Ihren Mut, die Öffentlichkeit zu informieren: Gefängnis, Überwachung. Anderen Whistleblowern geht es ähnlich. Was muss sich ändern, damit Whistleblower besser geschützt werden?

Es braucht echte und wirksame Whistleblower-Gesetze und nicht nur Lippenbekenntnisse. Aufgrund meiner Beobachtungen in den letzten Jahren bin ich heute der Meinung, dass Whistleblower – ähnlich wie in den USA – entschädigt werden müssen. Es zeigt sich immer mehr, dass die Belohnung von Whistleblowern der Zivilgesellschaft großen Nutzen brächte.

Das Interview führte Benjamin Wuttke.