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Eine Frau mit Überzeugungen ist eine Zumutung

erschienen in Querblick, Ausgabe 14,

Als die – nun ehemalige – Bischöfin Margot Käßmann sich zu Afghanistan positionierte, mochten sie manche plötzlich nicht mehr

»Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden … Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden.«

So predigte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland am 1. Januar 2010 im Berliner Dom. Zehn Tage später lud Verteidigungsminister zu Guttenberg die Bischöfin zu einem Gespräch und im Anschluss daran zu einem Truppenbesuch ein. In den Tagen dazwischen war die Frau an der Spitze der EKD abgemahnt, beschimpft, gelobt, verdammt worden. Der Tenor in vielen Medien und bei nicht wenigen Politikern: Naiv, oberflächlich, kenntnisfrei, aber für eine, die nun mal aus der Friedensbewegung kommt, auch irgendwie verständlich. So redet man mit Kindern. Vorausgesetzt man mag schwarze Pädagogik. Der SPD-Abgeordnete Hans-Ulrich Klose tut es vielleicht: »Wie jeder Bürger auch kann Frau Käßmann ihre Meinung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr haben. Was ich jedoch für problematisch halte, ist die Tatsache, dass sie hier nicht als Privatperson gesprochen hat, sondern in ihrer Funktion als EKD-Ratsvorsitzende. Sie hat sich mit ihrer Äußerung in Gegensatz zur Mehrheit des Bundestages gesetzt … Sie vertritt mit ihrer Meinung die Position der Linkspartei.« Klose genehmigt einer wie der Käßmann wohl schon, dass sie beim Kaffeekränzchen mal privat eine Meinung haben darf. Kann auch die der Linkspartei sein. Aber öffentlich? Da sei – ja wer eigentlich – vor?

Noch schlimmer ist es Margot Käßmann im Internet ergangen. Die Kommentare zur Neujahrspredigt auf der Seite Politically Incorrect beispielsweise klangen sinngemäß so: Frau Käßmann, der erste weibliche Möchtegern-Mullah. »Eine derart arrogante, selbstverliebte, mediengeile Tante«; »Pfarrerin, Bischöfin und dann nicht mal die eigene Biografie im Griff (Scheidung), aber eine große Klappe bezüglich der Soldaten«; »Die Satanstussi und Steigbügelhalterin des Islam ist eine Verräterin der Christenheit.«

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»Welt online« wünschte sich von Margot Käßmann weniger rhetorische Brillanz und »etwas mehr intellektuelle Redlichkeit«. Gute Rhetorik und Redlichkeit scheinen für das Medium ein Widerspruch in sich zu sein. Und weil die damalige EKD-Vorsitzende von ihrem Amt Gebrauch und den Mund weit aufgemacht hat, kamen Politiker von CDU und SPD darauf, dass es sich dann nur um Amtsmissbrauch handeln könne, wohingegen Entwicklungsminister Dirk Niebel immerhin zu der erstaunlichen Erkenntnis kam: »Frau Käßmann darf eine eigene Meinung haben.«

Margot Käßmann ist nach ihrer Friedensbotschaft mit großem Durchhaltevermögen in die Debatten gegangen. Sie war bei Guttenberg, bei Steinmeier, bei der Kanzlerin und bei der CDU-Klausurtagung. Und hat nicht widerrufen. Nicht einmal, als der Chef der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, schrieb, wer prinzipiell gegen den Einsatz militärischer Macht sei, überlasse das Feld jenen, die im Namen der Nation, Gottes oder der Revolution töten. Andere dankten Frau Käßmann für ihren Mut. Sie hat polarisiert. Pazifismus und ein Denken jenseits militärischer Logik polarisiert immer. Und ist seit jeher etwas, das Frauen gut können. Sogar richtig gut können sie das.

Hannah Hoffmann