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Ein strahlendes Geschäft

erschienen in Klar, Ausgabe 19,

Die Bundesregierung schenkt der Atom-Industrie milliardenschwere Extraprofite

Es ist die Nacht vom 5. auf den 6. September 2010. Im Bundeskanzleramt in Berlin brennt noch Licht. Hinter verschlossenen Türen hecken Mitglieder der Regierung und einige der mächtigsten Wirtschaftsbosse Deutschlands einen neuen Atomdeal aus. Nach draußen dringt kein Wort, die Herrschaften haben Stillschweigen vereinbart. Seit Stunden feilen sie an einem historischen Abkommen. Es geht um viele Milliarden Euro – und um die Sicherheit der Bevölkerung.

Erst in den frühen Morgenstunden ist der Handel perfekt, „eine Revolution in der Energieversorgung“, wie Bundeskanzlerin Merkel (CDU) mit Pathos der Öffentlichkeit verkündet. Die Wirtschaftsbosse schweigen schmunzelnd. Sie wissen: Dieser Deal bringt ihren Konzernen in den nächsten Jahren mindestens 76 Milliarden Euro zusätzlich.

Offiziell verkündigt die Regierung, sie habe lediglich die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Dass ein geheimer Zusatzvertrag zwischen Regierung und Atomwirtschaft existiert, erfährt die Öffentlichkeit erst, als sich RWE-Vorstandsmitglied Rolf M. Schmitz auf einer Konferenz verplappert. Nach und nach sickern die Details dieses Vertrags durch.

Der Vertrag liest sich wie ein Diktat der Industrie an die Regierung. In ihm ist festgelegt, welche Steuern und Abgaben die Konzerne zahlen müssen – und unter welchen Bedingungen. Vor allem regelt er, dass die Konzerne nur einen kleinen Teil ihrer Extraprofite an den Staat zahlen müssen. Und: Selbst diesen Teil zahlen sie nur so lange, wie keine andere Regierung die Laufzeiten der Atomkraftwerke reduziert.
 
Bei Lichte betrachtet kennt diese lange Verhandlungsnacht nur wenige Gewinner und viele Verlierer. Jubeln kann die Atom-Industrie: Die Regierung gestattet ihr, die Atomkraftwerke noch länger zu betreiben und einen Großteil der Extraprofite zu behalten. Die Bevölkerung bleibt den Gefahren der Atomkraft noch jahrelang ausgeliefert und muss die milliardenschweren Profite der Konzerne mit der Stromrechnung bezahlen.