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Editorial

Von Jan Korte, erschienen in Clara, Ausgabe 39,

Auf ein Wort mit dem Herausgeber: Jan Korte

Liebe Leserinnen und Leser,   seit einer gefühlten Ewigkeit debattiert die Republik über den Umgang mit Flüchtlingen, also über Menschen – das muss man angesichts einer Debatte, in der Individuen in Zahlen und Gruppen zusammengefasst und zum Problem erklärt werden, leider betonen. Dass wir diskutieren, ist richtig, denn es gibt jede Menge Fragen. Was DIE LINKE aber nicht tun wird, ist, sich auf das Niveau der CDU-, CSU- und SPD-Kandidaten im AfD-Ähnlichkeitswettbewerb herunterzubegeben und die Menschenwürde für teilbar zu erklären. Wir werden keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen geben. Und wir werden erst recht nicht die internationale Solidarität und die Menschenrechte, jahrzehntealte und unter anderem von der Arbeiterbewegung hart erkämpfte Werte, den Umfrageergebnissen opfern und uns dem Mainstream anschließen. Wer DIE LINKE wählt, sagt Ja zu einer modernen, sozialen, solidarischen und gerechten Politik – und zwar für alle Menschen.   Unsere Vorschläge und Forderungen liegen schon länger auf dem Tisch, als der syrische Bürgerkrieg andauert: Seit Jahren setzen wir uns gegen die Militarisierung der Politik ein. Wir haben von Anfang an Nein zu den Kriegen in Afghanistan und Irak gesagt. Wir haben das europäische Grenzregime kritisiert und legale Fluchtwege gefordert. Von Beginn an haben wir den neoliberalen Prinzipien der Privatisierung, des Personalabbaus in den Behörden, des Rückzugs des Staates aus der sozialen Verantwortung widersprochen und stets an der Seite der Beschäftigten gekämpft.    Dass wir die Bundesregierung jetzt erst recht auffordern, die Fehler ihrer Sparpolitik rückgängig zu machen, ist wohl kaum Fundamentalopposition. Im Gegenteil: Es geht darum, den kaputtgesparten Sozialstaat handlungsfähiger zu machen und die aktuelle Situation als Chance für einen gesellschaftlichen New Deal, für eine soziale Modernisierung zu begreifen. DIE LINKE fordert ein Investitionsprogramm in Höhe von fünf mal fünf Milliarden Euro für den gemeinnützigen sozialen Wohnungsbau, für Bildung, für Sicherheit und die Stärkung des öffentlichen Dienstes, für öffentliche Beschäftigung und Integration sowie für die Bekämpfung von Fluchtursachen. Als Grundlage für eine Gesellschaft, in der nicht nur der Lauteste gehört wird, in der Solidarität mehr „Likes“ hat als Hass, die demokratisch und modern ist, statt abgeschottet und rückwärtsgewandt. Das ist nicht nur in Zeiten von Haushaltsüberschüssen machbar. Es ist schlicht eine Notwendigkeit angesichts der Ungleichheit in diesem Land, in dem zehn Prozent der Haushalte die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen.   Wir können mit dem Krisengerede weitermachen und jammern. Oder wir ergreifen diese Chance und blicken in zehn Jahren zurück, um festzustellen: Das Land wurde sozialer, gerechter und lebenswerter.    Ein Großteil der Menschen, die zurzeit nach Deutschland fliehen, stammt übrigens aus Ländern, in denen Krieg herrscht, aus Syrien, Libyen oder Afghanistan. An vielen dieser Konflikte ist die Bundeswehr beteiligt. Jüngst erst haben CDU/CSU und SPD beschlossen, deutsche Streitkräfte in Syrien einzusetzen. Einzig DIE LINKE lehnt Gewalt als Mittel der Politik ab und hat geschlossen gegen diesen neuen Auslandseinsatz gestimmt. Krieg und Frieden – das ist das Schwerpunktthema dieser Ausgabe von clara.   Darüber hinaus stellt clara die Kampagne „Das muss drin sein.“ vor. Mit dieser Kampagne will DIE LINKE auf den Personalmangel in Kitas, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufmerksam machen und bewirken, dass dort zusätzliche Stellen geschaffen werden. Zudem hat sich die Feministin Anne Wizorek über Sexismus und Rassismus in Deutschland interviewen lassen. Justin Sullivan, der Sänger der britischen Band New Model Army, spricht über rechtsradikale Demagogen und den Überwachungsstaat. Den Gastkommentar hat der italienische Publizist Domenico Losurdo verfasst.    Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche und kurzweilige Lektüre.   Jan Korte ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE