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Editorial

Von Gregor Gysi, erschienen in Clara, Ausgabe 35,

Auf ein Wort mit dem Herausgeber: Gregor Gysi

Liebe Leserin, lieber Leser,   am 25. Januar haben die griechischen Bürgerinnen und Bürger die linke Sammlungspartei Syriza zur stärksten parlamentarischen Kraft des Landes gewählt. Nun regiert erstmalig in der europäischen Nachkriegsgeschichte eine Partei links der Sozialdemokratie. Nicht als kleinerer Koalitionspartner, sondern als die bestimmende Kraft in einer Koalition mit einer kleineren konservativen Partei, die als einzige bereit war, den politischen Kurs von Syriza zu unterstützen – eine Koalition, die für DIE LINKE hierzulande undenkbar wäre, aber der besonderen Situation dort geschuldet ist.   Die Wahl in Griechenland war nämlich zugleich eine Urabstimmung über die bisherige Euro-Krisenpolitik. Diese bestand darin, die europäischen Privatbanken, auch die deutschen, mit Milliardensummen aus zwei europäischen Hilfsprogrammen zu retten und die enormen Kosten dafür der griechischen Bevölkerung in Gestalt von Kürzungsdiktaten bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen aufzubürden. Die Folgen dieser neoliberalen Politik sind für Griechenland desaströs: Die Schulden erhöhten sich rasant, die Einkommen sanken um ein Viertel, die Arbeitslosigkeit stieg auf 28, die Jugendarbeitslosigkeit sogar auf 60 Prozent, das Gesundheitssystem brach zusammen. Nun wurde diese gescheiterte Euro-Krisenpolitik abgewählt. Mit dem historischen Erfolg von Syriza kann erstmals nach Einführung des Euro eine Regierung politische Alternativen für eine Beendigung der neoliberalen Kürzungsdiktate auf die Tagesordnung setzen. Mit der Beendigung und Rücknahme von Lohn- und Sozialkürzungen sowie von Privatisierungen hat Syriza einen Politikwechsel eingeleitet. Das erfordert unsere Solidarität und dient auch der deutschen Bevölkerung. Ob dieser Politikwechsel erfolgreich verläuft oder an der Kompromisslosigkeit der Bundesregierung scheitert, hängt auch davon ab, ob es Linken und Gewerkschaften hierzulande gelingt, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen.    Die neoliberale Politik hat nicht nur in Europa Schaden angerichtet, sondern auch in Deutschland. Hartz IV sowie unsichere und schlecht bezahlte Jobs prägen seit Jahren das Land. In dieser Ausgabe wirft clara ein Blick auf diese Verwerfungen und stellt eine Kampagne vor, mit der DIE LINKE die Arbeits- und Lebensverhältnisse von vielen Millionen Menschen verbessern will. Zudem zieht Christoph Butterwegge Bilanz nach 10 Jahren Hartz IV: Deutschland sei "auf dem Weg zum Almosen- und Suppenküchenstaat".    Hierzulande fanden in den vergangenen Monaten in vielen Städten Demonstrationen statt, bei denen gegen Flüchtlinge und Muslime gehetzt wurde. Höchste Zeit, die Behauptungen von Pegida, AfD & Co. einem Fakten-Check zu unterziehen und den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zu Wort kommen zu lassen.   Mit Bodo Ramelow stellt DIE LINKE erstmals den Regierungschef in einem Bundesland. In clara spricht der neue Ministerpräsident von Thüringen über den langen Weg zur rot-rot-grünen Koalition, über erste Erfolge und die wirklich Mächtigen in diesem Land.   Vor 70 Jahren, am 27. Januar 1945, befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz, Symbol der Einzigartigkeit des industriellen Massenmords an Millionen Jüdinnen und Juden. Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 markierte die Befreiung von der nationalsozialistischen Barbarei. Joachim Perels zeigt auf, welche Lehren es am 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus aus der Geschichte zu ziehen gilt.   Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche und kurzweilige Lektüre.   Gregor Gysi ist Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE