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Doppelmoral endlich aufdecken

erschienen in Clara, Ausgabe 2,

Petra Pau, Vizepräsidentin und Fraktionsvize, sowie Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher und Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, über Täuschung, Verhinderung und Verschleppung der Bundesregierung

In den Medien ist zumeist vom ›BND-Ausschuss‹ die Rede. Aber das trifft es nicht. Es geht prinzipiell und konkret um die Fragen, ob deutsche Dienste oder Behörden im so genannten Antiterrorkampf Bürger- und Menschenrechte suspendiert haben und wer dafür verantwortlich ist.

Von den USA weiß man es. Sie kidnappen in aller Welt Menschen, die ihnen verdächtig scheinen. Sie verschleppen sie in Lager, wo sie rechtlos interniert werden. Guantanamo ist dafür Synonym, aber mitnichten das einzige Folterlager. Lange Zeit sah es so aus, als hätte die Bundesrepublik Deutschland damit ebenso wenig zu tun, wie mit dem militärischen Feldzug der USA im Irak. Inzwischen wissen wir es leider besser.

Viele CIA-Flüge, mit denen entführte Europäer nach Nirgendwo verbracht wurden, führten über Stuttgart. Dort agieren auch ein US-Einsatz-Kommando und mit ihm zwei Verbindungsoffiziere der Bundeswehr. Im Afghanischen Kandahar unterhalten die USA ein ähnliches Lager wie in Guantanamo. Es war die erste Station des Bremer Murat Kurnaz, nachdem er von Pakistanischen Kopfgeldjägern an US-Truppen verkauft wurde. Derweil wurde bekannt: Dieses Folter-Lager wurde auch von deutschen KSK-Soldaten bewacht.

El Masri ist ein weiterer Betroffener aus Deutschland. Auch er wurde entführt und misshandelt und später mit dem Verweis ausgesetzt, es habe sich um einen bedauerlichen Irrtum gehandelt.

Das und viel mehr führt zu den bohrenden Fragen: Was wusste die rot-grüne Bundesregierung davon? Denn um deren Zeit geht es. Und was wurde unter Leitung des damaligen Kanzleramts-Chefs, Frank-Walter Steinmeier, alles unternommen oder unterlassen?

Natürlich hatte bei alledem auch der Bundesnachrichtendienst (BND) seine Finger im Spiel. Trotzdem: ›Bürger- und Menschenrechtsausschuss‹, dieser Name trifft besser, was wir untersuchen und was mich bewegt.

Petra Pau

Das schlechte Gewissen der Regierung zeigt sich im Umgang mit dem Ausschuss. Um ihre noch in Amt und Würden stehende Minister zu schützen und die Doppelmoral von rot-grün in der Menschenrechtspolitik zu verbergen, treibt die jetzige Regierung ein falsches Spiel. Öffentlich gelobt sie Aufklärung, tatsächlich führt sie den Ausschuss und damit die Bürger an der Nase herum, indem sie uns die wichtigsten Informationen vorenthält. Bis heute wissen wir nicht, was im Bundeskanzleramt besprochen und veranlasst worden ist. Genau dort sind aber alle Informationen zusammen gelaufen. Chef des Bundeskanzleramtes war Frank Steinmeier, der heutige Außenminister. Er leitete die zuständigen Sicherheitsgremien. Was wusste er von der Entführung El Masris, was hat er unterlassen, um die Leidenszeit des jungen Murat Kurnaz um Jahre zu verlängern? Haben deutsche Agenten beigetragen zum Irakkrieg?

All das lässt sich nur klären, wenn die Regierung endlich die dafür nötigen Unterlagen herausgibt. Auch Zeugen aus dem Apparat können wir nur sinnvoll vernehmen, wenn wir diese Unterlagen haben. Wer räumt schon ohne Not ein, an schweren Menschenrechtsverletzungen mitgewirkt zu haben? Wer gesteht ein, dass sich die Bundesrepublik an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligt hat, solange er selbst darüber bestimmen kann, wer gegebenenfalls davon erfährt?

Wir sind der Ansicht, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Wenn die Regierung nicht helfen will, die schweren Vorwürfe aufzuklären, dann müssen wir sie dazu zwingen. Deshalb werden wir das Bundesverfassungsgericht anrufen. Es soll klären, ob die Regierung weiterhin selbst darüber entscheiden kann, ob sie sich belasten möchte. Rechtsverstöße dürfen in einem demokratischen Rechtsstaat niemals geheim gehalten werden. Dies muss die Lehre sein, die das Bundesverfassungsgericht der Regierung erteilen sollte.

Wolfgang Neskovic