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Die stille Helferin von Haiti

erschienen in Clara, Ausgabe 15,

Haiti wurde zu Beginn des Jahres von einem Erdbeben erschüttert,das Hunderttausende Opfer forderte. Die ersten Helfer vor Ort waren kubanische Ärzte – doch die westliche Welt ignoriert sie.

Als wir dieses Magazin planten, hatten wir gerade vom Erdbeben in Haiti und von einer unglaublichen Geschichte kubanischer Solidarität mit dem leidgeprüften Land in der Karibik erfahren. Eine Frau, hieß es, leite seit 1998 die kubanische Ärzte-Brigade »Henry Reeve«. Kaum jemand in der Öffentlichkeit nahm bisher davon Notiz. Die Welt erfuhr über die Medien von Amerikanern, Franzosen und Brasilianern, die sich auf den Weg machten, den Haitianern zu helfen. Doch mehr als 400 gut ausgebildete kubanische Ärzte und medizinische Helfer waren schon seit Jahren vor Ort. Kuba hatte im Nachbarland die medizinische Versorgung, deren Infrastruktur und auch die Alphabetisierung vorangebracht.
Wir wollten mehr über diese Frau erfahren. Wer ist sie? Warum ist sie nach Haiti gegangen? Und wie ist es, als Kubanerin im noch ärmeren Haiti der Armut und der medizinischen Notlage den Kampf anzusagen? Über die kubanische Botschaft erfuhren wir ihren Namen: Yilliam Jiménez Expósito. Wir bekamen Fotos von dieser Frau. Auf denen sieht sie stolz und schön aus. Wir erhielten eine Telefonnummer, unter der sie wahrscheinlich zu erreichen wäre. Wir haben es oft versucht und sie dennoch nicht sprechen können. Die Leiterin der Ärztebrigade hatte keine Zeit. Wie auch? Sie muss tagtäglich mit ihrem Team aus den endlos langen Schlangen von hilfsbedürftigen Menschen diejenigen auswählen, die medizinische Hilfe am allernötigsten brauchen. In Haiti muss jeder, sei er noch so arm, für medizinische Hilfeleistung und Medikamente zahlen. Für Kubaner, deren Gesundheitswesen zu Hause für alle kostenlos ist, unvorstellbar. Deshalb behandeln sie auch in Haiti die Menschen unentgeltlich. Inzwischen ist die Brigade auf 1516 Frauen und Männer angewachsen. Seit Februar arbeiten mit ihnen im Krankenhaus der Stadt Croix-Des-Bouquets auch acht amerikanische Ärzte, die in der Lateinamerikanischen Medizinschule in Kuba studiert haben. Bis Mitte März errichtete Kuba 20 Krankenhäuser und fünf Feldlazarette in verschiedenen Bezirken auf Haiti. Mehr als 220000 Patienten wurden versorgt und über 6300 Operationen seit dem Erdbeben durchgeführt. Nackte Zahlen. Dahinter stehen 220000 Geschichten.
Kuba ist ein armes Land. Kuba ist reich an Menschen wie Yilliam Jiménez, für die ein Wert besonders zählt: internationale Solidarität.

Heike Hänsel, entwicklungs-politische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

»Wenn es um den nachhaltigen Wiederaufbau in Haiti geht, ist es sinnvoll, auf die langjährige Erfahrung der kubanischen Helferinnen und Helfer zu setzen. DIE LINKE unterstützt diese Süd-Süd-Kooperation und hat einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem wir die Bundesregierung auffordern, mit Kuba eine Entwicklungspartnerschaft zugunsten von Haiti aufzunehmen. Norwegen hat bereits ein entsprechendes Abkommen mit Kuba abgeschlossen. Auch Deutschland könnte zum Beispiel Medikamente, Materialien und medizinische Apparaturen beisteuern. Die lange Tradition internationaler Solidarität durch Kuba ist weltweit einmalig und verdient unsere Unterstützung.«
Dr. Yilliam Jiménez Expósito leitet seit 1998 die kubanische Ärztebrigade in Haiti.