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Die schwarze Null? Ein einziger Irrtum!

erschienen in Clara, Ausgabe 47,

Dem Haushalt für dieses Jahr fehlt es erneut an einer wirklichen sozialen Ausrichtung. Ich will mit drei Irrtümern aufräumen, die sich hartnäckig halten, weil sie von den Regierungsparteien immer weiter verbreitet werden.

Irrtum Nummer 1: Die schwarze Null ist ein Erfolg. Nein, die schwarze Null soll davon ablenken, wie ungerecht unser Steuersystem ist. Wir könnten viel mehr in Kitas, Schulen und Krankenhäuser investieren, wenn das Vermögen in unserem Land gerecht besteuert werden würde. Dann hätten wir immer noch eine schwarze Null. Die Kehrseite der schwarzen Null heißt Personalabbau und Investitionsstau. In Kitas, Schulen und Krankenhäusern wurde in den vergangenen 20 Jahren so massiv Personal abgebaut, dass es heute an allen Ecken und Enden fehlt. Allein im Zeitraum von 1995 bis 2006 wurden 50.000 Stellen im Pflegebereich gestrichen.

Irrtum Nummer 2: Wir dürfen keine neuen Schulden machen, weil wir sonst unsere Kinder und Enkel mit der Schuldenlast überfordern würden. Diese merkwürdige Logik habe ich nie verstanden. Wir verwehren heute unseren Kindern und Enkeln Bildung, damit sie später weniger Schulden abzahlen müssen? Weniger Bildung heute heißt doch mehr Schulden morgen. In unserem Land fehlen über 10.000 Lehrerinnen und Lehrer.

Irrtum Nummer 3: Mehr Personal für Geheimdienste und für die Bundeswehr bringt mehr Sicherheit. Achzig Prozent des Personalzuwachses geht im Jahr 2019 in diese Einrichtungen. Viele Menschen haben Angst, dass sie irgendwann ihre Miete nicht mehr zahlen können oder das Geld nicht mehr für das Pflegeheim reicht. Die Menschen wollen vor allem soziale Sicherheit.

Zukunftsinvestitionen

Der Deutsche Städtetag hat berechnet, dass allein in den Kommunen ein Investitionsstau von 126 Milliarden Euro herrscht. Das heißt: Es müssen dringend Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Straßen und Brücken saniert oder neu gebaut werden. Doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) möchte die Investitionen einfrieren. Das ist unsozial und ökonomisch falsch. Selbst der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass die Investitionsquote in unserem Land zu niedrig ist. Wir brauchen unbedingt mehr Zukunftsinvestitionen in Europa und vor allem in strukturschwachen Regionen, wie zum Beispiel in Ostdeutschland. Oder im Gesundheitswesen. Die Krankenhäuser haben zu wenig Geld, um ihre Häuser in einem guten Zustand zu halten. Für wichtige Reparaturen zweigen sie Personalmittel ab und stecken das Geld in die Sanierung der Häuser. Das kann nicht der richtige Weg sein. Die Bundesländer tragen die Verantwortung für die Unterhaltung der Krankenhäuser. Wir, die Fraktion DIE LINKE, wollen mit 2,5 Milliarden Euro die Investitionen der Länder kofinanzieren.

Kampf gegen Armut

Nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts sterben Männer, die an der Armutsgrenze oder darunter leben, im Schnitt um 10,8 Jahre früher als Wohlhabende. Männer, die in prekären Verhältnissen leben, haben demnach eine durchschnittliche Lebenserwartung von lediglich 70,1 Jahren. Bei Besserverdienenden beträgt sie dagegen 80,9 Jahre. Bei Frauen beträgt die Differenz rund acht Jahre: Die armen kommen auf 76,9, die wohlhabenden auf 85,3 Jahre. Der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Rolf Rosenbrock benennt die Gründe dafür: »Weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist auch schlechtere Arbeitsbedingungen oder auch durch Arbeitslosigkeit negativ auf das eigene Leben und die Möglichkeiten der Teilhabe auswirkt.«

Wir wollen, dass Arbeitslosigkeit nicht in Armut führt. Deshalb wollen wir Hartz IV abschaffen. Wir brauchen mehr Geld, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Es ist gut, dass die Koalition unseren Vorschlag, einen öffentlichen Beschäftigungssektor zu gründen, aufgegriffen hat. Sie nennt es soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt. Es sollen 150.000 Stellen durch dieses Programm geschaffen werden. Aber selbst der Chef der Bundesagentur für Arbeit meldete große Zweifel an, ob dies angesichts der restriktiven Maßnahmen zu leisten sei. Allein die Voraussetzung, sieben Jahre arbeitslos gewesen zu sein, um an dem Programm teilnehmen zu können, schränkt den Teilnehmerkreis stark ein. Bemerkenswert ist auch, dass sich an der Zahl der ALG-II-Empfänger und der Menschen, die Leistungen der Mindestsicherung bekommen, seit Einführung von Hartz IV kaum etwas geändert hat. Die Bundesregierung hat bei der Bekämpfung von Armut auf der ganzen Linie versagt.

Gleichwertige Lebensverhältnisse

Die Bundesregierung scheitert auch kläglich, wenn es darum geht, die Armut zu bekämpfen. Inzwischen gründete sie eine Kommission »Gleichwertige Lebensverhältnisse«. Sie soll bis Herbst 2020 Vorschläge erarbeiten. Dabei liegen die Probleme auf der Hand. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Großstädte. Das führt zu akutem Wohnungsmangel in den Großstädten und zur Verödung ganzer Landstriche. Wir wollen mehr preiswerte Wohnungen in den Städten bauen, aber auch in Dörfer und Gemeinden investieren. Wenn dort die letzte Ärztin, der letzte Lehrer und die letzte Bäckerin verschwunden sind, dann bleibt für viele nur noch der Wegzug in die Stadt. Diesen Trend wollen wir mit Investitionen in den ländlichen Raum stoppen.

In diesem Jahr wird die Bundesregierung den 30. Jahrestag des Mauerfalls feiern. Die Ostrentner werden dann wieder die Frage stellen, wie lange sie noch Rentner zweiter Klasse bleiben sollen. Wer 1990 mit 65 Jahren in Rente gegangen ist, muss erst 100 Jahre alt werden, um eine Westrente zu bekommen. So lange wollen wir nicht warten.

Gesine Lötzsch ist haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE